Mündliche Prüfung, Potsdam

#1 von Ria , 15.11.2017 12:57

In der Prüfung saßen mir ein Heilpraktiker, Herr Dr. Hemmrich (Psychiater) und ein, ich glaube, Psychotherapeut (oder Arzt!?) gegenüber. (Die Namen der beiden anderen Männer habe ich mir leider nicht gemerkt.)

Bevor das Tonband angeschaltet wurde, wurde ich von dem Psychotherapeuten gefragt, ob ich Zertifikate bzgl. einer abgeschlossenen Therapieausbildung dabei hätte. Ich antwortete mit „nein“ und er verzog das Gesicht :-/
Dann wurde das Tonband angestellt.
Der Heilpraktiker fragte mich, was das Patientenrechtegesetz aussagen würde.
Die Antworten dazu habe ich mir eher hergeleitet. Ich hatte viel über die Pflichten des Heilpraktikers gelesen und wir hatten im Kurs auch einmal darüber gesprochen (ich hatte mir dazu eine Seite mitgeschrieben, wusste aber nicht, ob sich das nur auf dieses Gesetz bezog). Was also ganz genau in diesem Gesetz stünde, wusste ich nicht, habe es mir aber hergeleitet.
(Patient darf jederzeit in seine Akte einsehen, bekäme Informationen über Behandlung, Diagnose, Methoden, alternative Therapien, Kostenaufklärung!!, usw.)
Dann wurde ich gefragt, was ich unternehmen würde, wenn mein Patient auf der Türschwelle zusammen bräche – also eine typische Erste-Hilfe-Frage: Bewusstsein überprüfen (Patienten ansprechen, rütteln), wenn Bewusstsein vorhanden, Atmung überprüfen (zum Patienten hinab knien, hören und fühlen, ob Atmung vorhanden ist mit Blick Richtung Bauch und schauen, ob sich der Brustkorb hebt und senkt. Atmung war vorhanden – stabile Seitenlage usw…)
Dann sollte ich sagen, wie oft ein Mensch in der Minute atmet und wie hoch ein normaler Puls ist. Da musste ich kurz nachdenken (vor allem wegen der Atemzüge, habe es mir dann aber richtig hergeleitet: 15 bis 20 mal pro Minute).
Außerdem sollte ich aufzählen, was alles auf meinem Praxisschild geschrieben stünde: Ich denke, hier war wichtig, dass man „Heilpraktiker begrenzt auf das Gebiet der Psychotherapie“ sagt und nicht nur Heilpraktiker oder HP für Psychotherapie. Was noch auf dem Schild stünde habe ich mir hergeleitet: also: mein Name, Öffnungszeiten/oder Termine nach Vereinbarung, eventuell die Therapierrichtung.
So – dann kamen die Fragen des Psychotherapeuten.
Was kann ein Patient von mir erwarten?
Hmm. Ich habe die offenen Frage für mich genutzt und gaaaanz vorn angefangen:
Also von Erstgespräch mit unstrukturiertem Teil, strukturiertem Teil, Beobachtung, strukturierte Befragung, Psychopathologische Befund (welche Unterpunkte hierzu wichtig sind), Anamnese, Krankengeschichte Patient und Familie (wegen möglicher Krankheiten mit erblichem Faktor).
Ein Patient darf von mir erwarten, dass ich eine Verdachtsdiagnose stelle und dann entscheide, ob ich selbst in der Lage bin, eine geeignete Therapie durchzuführen oder ich den Patienten an jemand anderen verweise, der dafür geeignet ist. (ich vermute, dass letzteres wichtig war, denn zumindest Dr. Hemmrich hat genickt). Dann sollte ich konkreter werden:
Also: ich führe Psychotherapie durch, also Behandlung psychischer Störungsbilder.
Welche?
Dann habe ich leider den (taktischen) Fehler gemacht, auch somatoforme Störungen aufzuzählen. Darauf ist der Psychotherapeut angesprungen und hat mit hochgezogener Augenbraue nachgefragt.
Ich: „Leichte Ausprägungsformen.“
Der Psychotherapeut: „Wie sieht denn eine leichte Ausprägungsform der somatoformen Störung aus!?“
Hmm. Ich habe dann tief geatmet :-) und dann erst einmal aufgezählt, in welche Untergruppen man die somatoformen Störungen untergliedern kann. Dann habe ich gesagt, dass für die Diagnosestellung einer beispielsweise Somatisierungsstörung nach ICD-10 die Symptome für mind. 2 Jahre bestehen müssen – und habe dann gesagt, dass es sicher schwierig ist, dann von einer leichten Ausprägung zu sprechen, wenn der Patient schon so lange unter den Symptomen leidet. Der Heilpraktiker hat geschmunzelt und leicht genickt.
Der Psychotherapeut hat dann eingelenkt und gefragt, was ich denn nun konkret bei meinem Patienten machen würde.
Ich habe diesen Stohhalm gegriffen und habe gesagt, dass ich zum Beispiel auch leichte Depressionen behandeln könnte und gerne mittels Verhaltenstherapie arbeiten möchte.
Dann wurde gefragt, worunter denn ein depressiver Patient leiden würde. Dann habe ich alle Symptome aufgezählt, die möglich wären (also siehe ICD-10: Hauptsymptome, weitere häufige Symptome, somatische Symptome, …) Dann fragte der Psychotherapeut, wie ich das mittels Verhaltenstherapie behandeln würde. Dann habe ich von der Kognitiven Therapie nach Beck erzählt, Grundzüge, Grundziele. Dann hat mich der Psychotherapeut gefragt, ob ich dieses Wissen nur aus dem Lehrbuch hätte.
Ich: „Nein!“
Er: „Woher denn?“
Ich habe erzählt, dass ich einen Vorbereitungskurs über 20 Wochen in Berlin gemacht habe, Bücher zusätzlich genutzt habe, Forumsdiskussionen…
Dann fragte der Psychotherapeut, welchen Beruf ich denn überhaupt ausüben würde. Der Heilpraktiker antwortete darauf sofort und auch Dr. Hemmrich nickte. Ich sollte dazu kurz etwas sagen. Der Psychotherapeut sagte dann: „Achso, dann arbeiten Sie ja schon viele Jahre mit kranken Menschen! Ok!“
Dann fragte er aber auch gleich, ob ich die Kognitive Therapie nur aus dem Lehrbuch gelernt hätte.
Ich erzählte, dass wir innerhalb des Vorbereitungskurses die Kognitive Therapie anhand von Beispielen in Gruppen zusammen erarbeitet hätten (Danke, Herr Rehork ). Dann habe ich etwas genauer erklärt, quasi das, was wir mit Herrn Rehork in Tabellenform zusammen getragen haben: Situation- Automatisierte Gedanken, dysfunktionale Gedanken, Gefühl des Patienten, Gegenkondition, Gefühl,…
Das reichte dann erst einmal dem Psychotherapeuten.
Dr. Hemmrich fragte weiter, woran ich erkennen würde, ob mein Patient suizidal sei:
Ich habe gesagt, dass es meine Pflicht sei, den Patienten gezielt darauf anzusprechen.
Wie ich das machen würde!?
Dann habe ich Fragen in den Raum geworfen: Bsp.: Haben Sie Pläne für die Zukunft usw.
Er: „Wie finden Sie heraus, akut die Suizidalität ist?“ : also: Suizidgedanken, konkretere Gedanken, schon Planung, Vorbereitung, … Je näher der Patient schon am eigentlichen Suizid dran ist, desto höher sei die Suizidgefahr.
Dr. Hemmrich fragte weiter, woran man noch erkennen könnte, dass der Patient suizidal sei, wenn er mir nicht auf meine Fragen antworten würde. Ich habe kurz inne gehalten, weil ich erst einmal nicht wusste, worauf er hinaus wollte. Er sagte dann, dass es Menschen gäbe, welche sich zu diesem Thema bereits viele Gedanken gemacht hätten ;-)
Ich habe dann etwas zu dem Konzept von Ringel und Pöldinger erzählt, habe diese erklärt und noch erwähnt, was das Problem an der Entschlussphase sei (Ruhe vor dem Sturm, dem Patienten scheint es besser zu gehen, …) und was typisch für die Phase der Ambivalenz sei (Patient vertraut seine Pläne/Gedanken jemandem an). Dann habe ich noch erzählt, dass viele suizidale Patienten vor dem Suizidversuch sich jemandem anvertrauen.
Dann hat Dr. Hemmrich gelächelt und hat gesagt. „Ok, herzlichen Glückwunsch!“
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Bin sehr glücklich, dass diese Prüfung hinter mir liegt.
Insgesamt kann man sagen, dass die Prüfungsfragen inhaltlich eigentlich sehr fair waren.
Ich hatte aber das Gefühl, dass der Psychotherapeut einem etwas auf den Zahn fühlen wollte, vor allem, weil ich noch keine abgeschlossene Therapieausbildung habe. Danach hat er wirklich mehrfach gefragt – das habe ich so oft gar nicht ins Protokoll geschrieben.
Ich würde jedem, der diese Prüfung ablegt, raten, zumindest mal ein soziales Praktikum gemacht zu haben oder mal ein/zwei Wochen ein Hospitationspraktikum in einer Psych-Einrichtung gemacht zu haben – zumindest, wenn man noch nie mit kranken Menschen zusammen gearbeitet hat. Ich hatte das Gefühl, dass es dem Psychotherapeuten wichtig war, dass man zumindest weiß, mit welchen Menschen man es zu tun hat – Und, das ist ja auch irgendwie vollkommen in Ordnung. Nur hatte ich das Gefühl, dass dieses Thema etwas Schwere in meine Prüfung gebracht hat (schon bevor die Prüfung richtig los ging). Aber gut – ich konnte wohl dennoch zeigen, dass ich keine Gefahr für die Volksgesundheit darstelle. ;-)
Ich habe den Vorbereitungskurs Anfang 2016 bei Herr Rehork begonnen und zwischendurch ein Kind bekommen, weshalb ich erst jetzt die Prüfung abgelegt habe. Im Nachhinein tat es mir allerdings gut, das Wissen in dieser Zeit immer wieder zu vertiefen. Ich habe neben den Unterlagen von Herr Rehork noch die ICD-10 (Kapitel F) gelesen, und mit weiteren zwei Büchern gearbeitet (Koeslin und das von MLP (letzteres weniger)). Ich persönlich fand es gut, Wissen noch aus anderen Büchern zu nehmen und so viele Störungsbilder aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.
Ganz toll fand ich, dass Herr Rehorks Unterlagen sich sehr stark an den ICD-10-Inhalten orientieren. Das war mir zu Beginn des Kurses gar nicht bewusst. Beim Lernen bemerkte ich das aber und habe mich gefreut, dass ich viele Stichpunkte schon konnte, die in der ICD-10 standen.

Danke Herr Rehork!!

Ria  
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RE: Mündliche Prüfung, Potsdam

#2 von Thomas Rehork , 20.11.2017 21:21

Herzlichen Glückwunsch zur bestandenen Prüfung!

Das haben Sie sehr gut gemacht, denn die haben Sie ja ganz schön gegrillt!

Ein paar kleine Anmerkungen noch: Das Lehrbuch ist natürlich nicht von MLP (bewahre!) sondern aus dem Thieme-Verlag und geschrieben von drei Psychiatrie-Professoren: Laux, Deister und Möller.

Und beim Lernen gilt natürlich: Viel hilft viel - anders als in der Pharmakotherapie.


 
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RE: Mündliche Prüfung, Potsdam

#3 von Ria , 26.11.2017 23:01

... danke!
Dass das Buch nicht von der MLP ist, ist mir bewusst. Ich habe das Buch gerade verliehen, war zu faul, um nachzusehen (Ertappt!) und hab es schnell dahin geschrieben, weil ich dachte, jeder weiß dennoch Bescheid. Das war irreführend.
Entschuldigung! :-\

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RE: Mündliche Prüfung, Potsdam

#4 von Thomas Rehork , 28.11.2017 01:54

Nicht schlimm, ich denke nur an die Leute, die hier mitlesen und das Buch überhaupt noch nie gesehen haben, die könnten vielleicht verwirrt werden.

Liebe Grüße
Thomas

 
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