Tempelhof, 7. November 2022

#1 von Thomas Rehork , 10.11.2022 14:41

Prüfer (älterer Herr, Facharzt vom SPD) zwei Beisitzer, einer vom SPD, ein Heilpraktiker
Die Prüfungssituation war sehr freundlich und wohlwollend. Wir wurden aufgefordert Jacken und Rucksäcke im Büro der Verwaltungsangestellten zu lassen. Eine Wasserflasche und einen Kugelschreiber darf man mitnehmen, gibt es aber auch im Prüfungsraum. Insgesamt hat die Prüfung für uns beide zusammen ca. 55 Minuten gedauert. Die Person mit der ich zusammen geprüft werden sollte und ich, hatten uns im Vorfeld darauf geeinigt, dass ich anfangen darf.
Nach einer netten Begrüßung und der obligatorischen Frage, ob wir uns fit genug für die Prüfung fühlen, durfte ich mir aus einem Fächer von ca. 10 Seiten ein verdecktes Blatt mit einem Fall aussuchen. Der Prüfer trug den Fall vor:
Eine 26-jährige Studentin, alleinlebend kommt zur Hausärztin mit folgenden Beschwerden: Schlafstörungen (wacht nachts mehrmals wegen heftiger Träume auf), sie ist lustlos, zunehmend niedergeschlagen/erschöpft, traut sich nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr aus dem Haus. Zur Ärztin kommt sie wegen einer Krankschreibung und damit sie etwas gegen die Schlafstörungen verschreibt.
Der Prüfer fragt mich, wie ich jetzt mit der Patientin vorgehen würde. Ich frage, ob die Hausärztin irgendwelche organischen Beeinträchtigungen gefunden hat. Der Prüfer sagt, dass die Hausärztin keine Hinweise auf etwas Organisches gefunden hat. Ich frage detailliert nach der Antriebs- und Lustlosigkeit, sowie Verlust der Lebensfreude und wie lange die Symptomatik denn schon besteht (4-5 Wochen). Ich drücke der Patientin meine Wertschätzung aus, dafür dass sie trotz ihrer Beschwerden den Weg zu mir gefunden hat und frage, ob vor 4-5 Wochen etwas Besonderes in ihrem Leben passiert sei (Nein). Hatte sie eine ähnliche Symptomatik schonmal zuvor (Nein, sie ist sonst immer eine sehr leistungsorientierte und erfolgreiche Studentin. Sowas kennt sie von sich gar nicht) Ist in den letzten Monaten vor Beginn der Symptomatik irgendwas Belastendes passiert? (Ja, vor 3-4 Monaten war, aber darüber möchte sie nicht sprechen) Ich sage, dass das vorerst natürlich in Ordnung ist und frage nach Appetit und Gewichtsverlust ( kein Appetit, 2-3 kg verloren in den letzten 3 Wochen). Ich frage nach dem Inhalt der Träume ( der Prüfer druckst herum: Na sowas mit dunklen Straßen und so...). Ich frage nach einer möglichen Verbindung zu dem belastenden Ereignis vor 4-5 Monaten über dass sie nicht sprechen will (Zusammenhang wird indirekt bestätigt). Ich frage nach körperlichem Ausdruck ihrer Angst. (Lustlosigkeit, Niedergedrückt sein, sie schafft nichts mehr, alles ist ihr zu viel) Fragen nach Suizidalität: (hat schonmal dran gedacht, aber in erster Linie geht es ihr darum, dass es endlich wieder besser geht), also keine akute Suizidalität. Die Patientin hat guten Kontakt zu ihrer Familie, die sich mittlerweile auch Sorgen macht. Sie hat bisher noch niemandem von dem Ereignis vor 3-4 Monaten erzählt und will auch nicht, dass jemand davon erfährt. Ich sichere ihr zu, dass ich der Schweigepflicht unterliege und solange sie mich nicht davon ausdrücklich entbindet ihren Familienmitgliedern nichts von, dem was sie mir schildert hat mitteilen darf. Das erleichtert die Patientin. Ich erkläre ihr, dass ich vermute, dass ihre Beschwerden etwas mit dem zu tun haben, was sie vor 3-4 Monaten erlebt hat. Und dass ihre Reaktionen eine "normale" Reaktion auf etwas Schreckliches sein könnten, dass ihr zugestoßen ist. Ich erzähle etwas von Traumatisierung und Traumafolgestörungen und dass ich vermute, dass sie eine posttraumatische Belastungsstörung hat und ich ihr empfehle einen Psychiater aufzusuchen, da ich für die therapeutische Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen nicht ausgebildet bin.
Der Prüfer bricht das Rollenspiel ab und fragt unter anderem:
Was versteht man unter Trauma? Welche Art von belastendem Ereignis kann potentiell mehr Schaden beim Patienten anrichten: sowas wie ein Erdbeben, ein Eisenbahnunglück oder z.B. Traumatisierung durch Missbrauch/Folter etc.? Kann eine PTBS vorliegen obwohl zwischen dem Ereignis und dem Auftreten der Symptome eine längere Zeit vergangen ist? Worauf müsste ich bei der Patientin besonders achten, wenn sie ggf. beginnt sich selbst zu therapieren? Da habe ich erstmal gehangen, bis ich schließlich aber doch auf Medikamentenmissbrauch, Alkohol, Drogen (Selbstmedikation) kam. Ich habe noch erzählt, dass ich die Patientin nicht alleine behandeln würde, da mir als systemischer Paar- und Familientherapeutin dafür das nötige Handwerkszeug fehlt, ich sie aber gerne unterstützend mitbehandele und sie ansonsten aber lieber in den Händen eines entsprechenden Facharztes sehen würde. Damit war meine Fallbesprechung abgeschlossen. Es folgt noch eine kleine Frage zum Betreuungsgesetz: Was machen Sie, wenn Sie bei einem Hausbesuch eine ältere Dame finden, deren Wohnung verwahrlost aussieht (Geschirr liegt überall, es sieht unordentlich und chaotisch aus, im Kühlschrank ist nur verdorbenes Essen, im Flur liegen haufenweise ungeöffnete Briefumschläge?
Ich vermute, dass die Frau eine Demenz haben könnte und offensichtlich nicht mehr in der Lage ist, sich angemessen um ihre eigenen Belange zu kümmern. Meiner Meinung nach würde sich hier die Frage nach einer Anregung einer Betreuung für die Bereiche stellen, die die Frau nicht mehr alleine regeln kann. Wer entscheidet über eine solche Betreuung: Der Richter des Betreuungsgerichts

Damit war meine Prüfung beendet.
Meine Mitprüfungskandidatin (MPK) bekam folgenden Fall:

Eine ältere Dame Anfang 60 wurde wegen starker Schmerzen notfallmäßig ins KKH eingeliefert. Eine Gallenstein-OP verläuft soweit gut, aber nach 2-3 Tagen beginnt die ältere Frau zu stark zu schwitzen, sie bekommt Fieber, sie zittert und wirkt benommen. Die Ärzte vermuten eine Infektion, aber es finden sich keine Entzündungsparameter im Blut. Wie würden sie vorgehen.

Nach mehreren Nachfragen zu weiteren körperlichen vegetativen Symptomen ist meine MPK ratlos und hängt etwas. Sie fragt nach, ob im KKH auch der Alkoholspiegel im Blut kontrolliert würde. Der Prüfer bejaht, aber da wäre kein Alkohol im Blut gewesen. Meine MPK vermutet ein Delir. Welche Art von Delir? Wann kann denn ein Delir auftreten. Meine MPK nennt unter anderem das Alkoholdelir, aber das könne es ja nicht sein, weil kein Alkohol im Blut nachzuweisen gewesen wäre. der Prüfer hilft ihr: Na, wie heißt denn das Alkoholdelir? Dann bricht der Knoten und meine MPK fällt das Alkoholentzugsdelir ein. Es schließen sich Fragen nach der Symptomatik wie z.B. Halluzinationen und der Schwere der Erkrankung an. Welche Medikamente kommen jetzt in Frage? Welche Gefahren bestehen bei Benzodiazepinen? Zum Schluss fragt der Prüfer noch nach einer weiteren Komplikation bei schweren Alkoholikern und beschreibt Gangschwierigkeiten und ein bestimmte Augenbewegung, was könnte das sein? Meine MPK kommt zunächst nicht auf das Wernicke-Syndrom, weiß dann aber, dass ein Vitamin B Mangel infolge von Mangelernährung bei schwerem Alkoholismus dafür verantwortlich sein kann. Das reicht dem Prüfer. Im rechtlichen Teil geht es darum, wie mit einem uneinsichtigen schweren Alkoholiker mit Alkoholentzugsdelir umzugehen ist, der das KKH verlassen will. Wer entscheidet das? Wer entscheidet wie lange die Person untergebracht wird? Auf welcher Gesetzesgrundlage?

 
Thomas Rehork
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Tempelhof-Schöneberg, 28.11.2022
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