Mündliche Prüfung am 07.05.24 (Tempelhof-Schöneberg)

#1 von Maluca , 07.05.2024 16:11

Lieber Herr Rehork,
Liebe Mitlernenden,

Ich kann es gerade noch gar nicht so richtig realisieren, aber ich habe die Überprüfung erfolgreich bestanden und ich kann mich endlich wieder den anderen Dingen des Lebens zuwenden. Doch zuvor möchte ich kurz mit euch teilen, wie die Überprüfung inhaltlich abgelaufen ist (soweit ich es noch rekonstruieren kann).

Der Prüfer war Dr. Finger und Frau Lahn vom HP-Verband war die Beisitzerin. Beide waren im Erstkontakt sehr zugewandt und verbindlich. Besonders Herr Finger, der die Überprüfung gestaltete, hat eine sehr ruhige, offene und interessierte Haltung, was ich im ganzen Prozess als sehr hilfreich und unterstützend empfand. Es ging nicht darum eine finale Diagnose zu stellen, sondern vielmehr war er daran interessiert, über die Gedankengänge und das Explorieren der Möglichkeiten gemeinsam in den Austausch zu gehen. Das hatte etwas Investigatives und ich hatte Freude dabei. Ich kann mich meinen vielen Vorgänger*innen nur anschließen: es ist eine angenehme Atmosphäre, die auf Kollegialität und Unterstützung; nicht auf Fangfragen o.ä. beruht.

Wir wurden zu zweit überprüft, wobei meine Mitstreiterin gern beginnen wollte. Ich fieberte und analysierte parallel und in Gedanken bei ihr mit, das half auf jeden Fall schon mal die Aufregung ein Stück runterzufahren und in die Abläufe zu kommen. Ihr wurde kurz erklärt, es gehe um eine 33-jährige Frau, Studium abgebrochen, jobbt als Bürohilfe, relativ neu in der Stadt, sehr wenig Freunde, leicht untergewichtig. War schon bei einigen Ärzten wegen Bauch- und Kopfschmerzen, auch ihren Magen hat sie untersuchen lassen, der schmerzt und bei dem sie befürchtet, es könne ihr ergehen, wie ihrem Vater, der an einem Magentumor gestorben ist. Sie ist ganz erstaunt, dass ihre Hausärztin sie zu ihr schicken, weil sie ja nur körperliche Symptome habe, aber na ja, sie wolle es mal probieren, auch wenn sie da sehr skeptisch ist. Nun wollte Herr Dr. Finger jedoch erst mal wissen, wie meine Kollegin das Gespräch eröffnet. Sie hat das mit einer umfänglichen Rechte-/Pflichten-Beschreibung getan bevor sie dann inhaltlich fragte. Dafür nahm sie sich ausführlich Zeit und förderte u.a. noch zutage, dass sie als Jugendliche starke Schmerzen im Unterleib bei ihrer Menstruation hatte, oft Sport macht und am Wochenende einen "Blues hat", wenn sie nicht arbeitet und alleine zu Hause ist. Sie nimmt keinerlei Medikamente oder andere Substanzen, die körperlichen Schmerzen bestehen seit langem. Bis der Prüfer nachfragte, was denn ihr Verdacht sei? In Betracht kamen: Somatisierungsstörung oder Eßstörung (Was es war, blieb unklar. Meine Kollegin ging in Richtung Anorexie, ich vermutete anhand der Beschreibungen eher, dass sie früher anorektisch und jetzt bulimisch ist (wegen den Magenbeschwerden) und dabei aber auch Scham empfindet, deswegen nichts genaueres berichtet). Der Prüfer fragte nach, wie sie mit der Patientin arbeiten würde (Vertrauen aufbauen, ermuntern, beim nächsten Treffen vielleicht etwas mehr zu erzählen, abgrenzen: wenn Eßstörung, dann an spezialisierte Kolleg*in schicken). Daraufhin ließ sich Herr Dr. Finger noch mal erklären, was sie als HP Psych von einer Psychologin unterscheidet.

Danach war ich dran: eine 25-jährige kommt mit ihrer Mutter, die im Vorfeld mit mir telefoniert hat. Die Tochter ist 25, sieht punkig-verwahrlost aus, hat keine Lust auf Ausbildung oder Studium, hängt seit einem halben Jahr nur im elterlichen Zuhause ab, Stichwort: "Sch..system" (O-Ton des Prüfers). Vorher war sie 2 Jahre von der Bildfläche verschwunden und auch davor ging es irgendwie nur abwärts... Wie gestalten Sie den weiteren Prozess? > Abklären, ob Mutter dabei oder nicht ("Ist mir egal."), beließ sie für die Fremdanamnese dabei; teilte, was ich schon gehört habe. Fragte die beiden Frauen verschiedenes, u.a. wo die Tochter in den zwei Jahren war (Bauwagenplatz bis zur Räumung), was sie denn mit dem Scheißsystem genaueres verbindet (hier wollte ich schon in Richtung Wahn abklopfen - was der Prüfer direkt merkte und lächelnd meinte, darauf kämen wir später zurück) oder die Mutter, wie ihre Tochter denn früher so war (angepasstes, fleißiges Mädchen mit Spitzen-Abi) bis die Mutter dann vorwurfsvoll das Kiffen ansprach. Prüfer: Was könnte da los sein? Ich äußerte den Verdacht auf schädlichen Gebrauch von Cannabinoiden und verband das mit den Symptomen; erklärte auf Nachfrage die diagnostischen Leitlinien für Abhängigkeit (auch bei anderen psychotropen Substanzen) und die Entzugserscheinungen. Dann kam Herr Dr. Finger noch mal auf meinen Anfangsverdacht zurück und wollte wissen, was ich damit verbinde. Ich schilderte meine Vermutung, dass es auch eine Störung aus dem schizophrenen Formenkreis sein könnte, ggf. hatte die Klientin ja bereits in der Wagenplatzzeit eine drogeninduzierte Psychose erlebt oder aber aufgrund des massiven psychosozialen Einschnitts (Wagenplatzräumung = Unterkunft und soziales Bezugssystem weg) und steckt jetzt in einer post-psychotischen Depression. Der Prüfer hörte sich das alles sehr genau und nickend an und fragte mich, was ich in der Richtung denn fragen würde. Ich benannte die Positivsymptome und Herr Dr. Finger teilte mir dann u.a. mit, dass die Mutter die Tochter zu Hause auch laut mit sich reden hört. Das erhärtete die Verdachtsdiagnose und der Prüfer wollte wissen, wie es jetzt mit den beiden weitergeht? Ich sprach über Schizophrenie als schwerwiegende Krankheit, ihre Unterformen und auch die Negativsymptome und dass die Tochter unbedingt psychiatrische Behandlung braucht; schlug aber auch supportive Maßnahmen vor: Netzwerk Stimmen hören, Trialog, Soziotherapie (um wieder Struktur in den Alltag und Austausch zu bekommen) u.v.m. Für die Mutter eine Selbsthilfegruppe für Angehörige und das Angebot, dass ich sie in dieser für sie schwierigen Zeit begleite, auch noch mal schaue, ob es in der Familie schon Geschichten mit ähnlichen Krankheiten gibt (und vielleicht auch bereits vorhandene Coping-Strategien). Herr Dr. Finger fragte noch: Was ist wahrscheinlich zudem noch wichtig, wenn die Tochter unwillig gegenüber Ärzten bleibt? Hier kam nun das Betreuungsrecht ins Spiel und ich erörtere die Möglichkeiten damit.

Innerhalb von insgesamt max. 55 min. waren wir beide fertig und Herr Dr. Finger meinte nur, er wisse nicht, was er noch fragen solle - die benötigten Kompetenzen hätten wir ausführlich und umfänglich bewiesen. Er gratulierte uns herzlich, ebenso die Beisitzerin.

Ich hoffe, mein Bericht ermutigt und bestärkt euch.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei Ihnen, Herr Rehork, für die umfangreiche, fundierte und gut sortierte Vorbereitung mit all den praktischen Beispielen, die mir das Lernen leichter gemacht haben.
Und ich danke meinen Mitlernenden im Power- und im Dienstagskurs für eure fachlichen Beiträge, Nachfragen, den Austausch und die geteilte Last ;-). Ich wünsche denen, die es noch vor sich haben, eine erfolgreiche Überprüfung.

Mit den besten Grüßen,
Karen.



Maluca  
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