Hallo Herr Rehork,
wie gerade besprochen schicke ich Ihnen das Protokoll der mündlichen Prüfung, die ich gestern in Tempelhof-Schöneberg bestanden habe.
Prüferin: Frau Thoben und Beisitzerin (Heilpraktikerin für Psychotherapie)
Dauer 1,5 h, wir wurden zu dritt geprüft.
Ablauf: Begrüßung, Glückwunsch, dass wir es so weit schon geschafft haben. Sie prüfe uns nicht auf Herz und Nieren, sie erwarte kein auswendig gelerntes ICD-10, sondern schaue lediglich, dass wir „keine Gefahr für die Volksgesundheit“ seien.
Es gab vier Fragerunden, in denen wir jeweils nacheinander befragt wurden, so dass man immer wieder mal dran war und auch wieder Verschnaufpause hatte.
1. Runde: berufliche Vorstellung: Warum sind Sie hier? Was wollen Sie mit dem Heilpraktiker Psychotherapie machen? Was machen Sie sonst so beruflich? -> Man hatte Zeit, sich frei zu reden; war ganz gut zum Ängste abbauen und Ankommen, das hat sehr entspannt.
2. Runde: Allgemeine Fragen:
an 1. Prüfling: Welche Klassifikationssysteme kennen Sie? (ICD-10, DSM IV/V; triadisches System). Was heißt ICD-10? (International Classification of Diseases, 10. Version). Wichtig war hier, auch zu erwähnen, dass die psychischen Störungen im Kapitel F stehen und das ICD-10 alle Krankheiten umfasst, auch die somatischen (in den anderen Kapiteln). Was steht in den einzelnen Kapiteln? (von F0 bis F9 die Überschriften nennen und kurz 1 Satz, was drin steht; nach F4 war sie zufrieden). Was sind die Symptome der Depression/depressiven Episode? (hier wollte sie nur die 3 Hauptsymptome verminderter Antrieb, gedrückte Stimmung und Verlust von Interesse und Freude; das genügte).
Ich war der 2. Prüfling: Was sind Richtlinienverfahren, und welche sind das? (Psychotherapieverfahren, die von der Krankenkasse bezahlt werden; Psychoanalyse, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Verhaltenstherapie. Grundlage ist die Anerkennung als wissenschaftliches Verfahren vom Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie bei der Bundesregierung. Über die Kassenzulassung entscheidet dann der GBA (gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte- und Krankenkassenverbände). Wer darf alles Psychotherapie anbieten? (ärztliche Psychotherapeuten (= Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, Fachärzte für Psychosomatik und Psychotherapie und Allgemeinmediziner mit psychotherapeutischer Weiterbildung), psychologische Psychotherapeuten (Diplom-Psychologen mit einer Approbationsweiterbildung in einem der wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren), Heilpraktiker für Psychotherapie, Heilpraktiker, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Sozialpädagogen und Diplompädagogen mit Approbationsweiterbildung in einem wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren in Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie).
Fragen an den 3. Prüfling: Wie gehen Sie beim Erstgespräch vor? (Psychopathologischer Befund, Anamnese (Selbst- und Fremdanamese; biografische und familiäre Anamese), Status, organische Erkrankungen?, Drogenkonsum?, Medikamenteneinnahme?. Und sie wollte hier auch auf die Testverfahren hinaus, die man auch anwenden kann, um eine zusätzliche Informationsquelle zu haben.
3. Runde: Fallbeispiele nach Mery: Verdachtsdiagnose, ggf. Differentialdiagnose und therapeutisches Vorgehen. Frau Thoben hat jedem Prüfling nacheinander ein Beispiel vorgelesen, man bekam Papier und Stift und konnte sich währenddessen Notizen machen; dann durfte man loslegen.
1. Person: Mery-Beispiel 1: PTBS. Zusammentragen der wichtigsten Symptome. Ihr war hier wichtig zu betonen, dass PTBS auch bei „leichteren“ Anlässen (z.B. Unfällen) auftreten könne. Therapie: Traumatherapie, EMDR (es genügten ein paar Stichworte).
Ich bekam das Mery-Beispiel Nr. 12: histrionische Persönlichkeitsstörung. Ich nannte als weitere Verdachtsdiagnose noch die somatoforme Schmerzstörung, da zu Beginn des Beispiels Kopfschmerzen ohne somatischen Befund genannt wurden. Das habe ich beides etwas ausgeführt. Therapiemöglichkeiten: hier kommen alle Therapieverfahren in Frage. Wir haben gemeinsam überlegt, welche Themen bei einer histrionischen Persönlichkeit in einer Therapie im Vordergrund stehen könnten (möglicherweise Beziehungsprobleme, Einsamkeit etc.).
3. Person: Mery-Beispiel Nr. 11: generalisierte Angststörung. Hier hat sie noch mal auf den Unterschied zwischen Phobien (= Furcht vor bestimmten Situation/Objekten) und Angst als diffusem Gefühl Wert gelegt. Therapie: z.B. Sorgenkonfrontation in sensu (ein paar Stichpunkte genügten).
4. Runde: Juristisches
1. Person: zum Betreuungsgesetz (nur noch ganz allgemein, da die Zeit knapp wurde).
Ich wurde zum SPD gefragt: Was ist der SPD? Für wen ist er zuständig? Was sind seine Aufgabenbereiche? (siehe dazu den Link im Forum).
3. Person: zum Heilpraktikergesetz. Was darf/muss auf Ihrem Praxisschild stehen? (Heilpraktiker für Psychotherapie; man darf sich nicht „Psychotherapeut“ nennen, da das durch das Psychotherapeutengesetz von 1999 ein geschützter Begriff ist).
Damit waren die eineinhalb Stunden um, sie hat uns sofort zur bestandenen Prüfung gratuliert, im Nebenraum konnten wir uns bei Frau Andresen direkt unsere Urkunden abholen und mussten unterschreiben, dass wir die restlichen Gebühren noch überweisen werden.
Wir haben alle 3 bestanden.
Die Prüfungsatmosphäre war insgesamt sehr angenehm, wertschätzend, wohlwollend, nicht auf Vollständigkeit aus, sondern es reichte, wenn man etwas dazu sagen konnte, den Rest hat sie im Gespräch ergänzt. Gut war es, wenn man dann den Ball wieder aufnehmen konnte und dazu noch was sagen konnte.
Tipp für alle, die die Prüfung noch vor sich haben: im Schriftlichen wird viel Detailwissen abgefragt, im Mündlichen geht es eher um die größeren Zusammenhänge, um die konkrete Therapiepraxis (anhand von Fallbeispielen Verdachtsdiagnose stellen können, Differentialdiagnosen, Therapieideen entwickeln; psychiatrische Notfälle (Suizidalität, Erregungszustände etc.) erkennen. Und natürlich die Gesetze (Betreuungsgesetz, PsychKG, Heilpraktikergesetz; ein bisschen Patientenrechtegesetz). Und die Informationen rund um die kassenfinanzierten Therapien (wie kommt man zu einer Kassentherapie? etc. s.o.).
Viel Erfolg für diejenigen, die die Prüfung noch vor sich haben. Und danke an Herrn Rehork für die Vorbereitung!
Bertram