Tempelhof 14.11.2019

#1 von Thomas Rehork , 12.12.2019 19:58

Lieber Herr Rehork

Heute habe ich es geschafft und die mündliche Prüfung in Tempelhof bestanden. Danke für all die Unterstützung und hilfreiche Lehre auf dem Weg bis hierher! :-)

Hier mein Gedächtnisprotokoll, bei dem ich versuche einen möglichst genauen Überblick über den Verlauf zu geben:

Der andere Prüfling, ein älterer Herr namens Roland aus Österreich, und ich wurden um 12 Uhr in den Raum gebeten. Anwesend waren ein Psychiater vom SPD und ein Vertreter vom Heilpraktikerverband als Beisitzer (der sich am Ende auch nach meiner Schule bzw. nach Ihnen erkundigt hat), deren beider Namen ich leider vergessen habe. Roland hat angefangen. Ihm wurde folgender Fall geschildert:

1. Fall: 74-jährige Dame mit Akoasmen und Misstrauen

Er arbeitet beim SPD. Es geht ein Anruf von den Nachbarn einer 74-jährigen Dame ein, mit der sie eigentlich immer ganz gut zurecht kamen. Seit etwa anderthalb Jahren aber wäre sie so misstrauisch und würde sich ständig bei den Nachbarn beschweren, dass sie so laut wären und mit dieser Klopferei aufhören sollten. Laut sind die Nachbarn aber nach eigener Aussage nicht. Der SPD stattet ihr also einen Besuch ab. Die freundliche und aufgeschlossene Dame lässt sie herein. Ihre Wohnung ist ordentlich und aufgeräumt.

Soweit der Fall; Roland sollte jetzt sein Vorgehen schildern, fand aber nicht so richtig in den Fall rein. Mit Hilfe des Psychiaters vom SPD konnte er dann aber doch Teile des psychopathologischen Befunds abarbeiten. Substanzmissbrauch konnten ausgeschlossen werden, organische Ursachen schien es auch nicht zu geben (die Frau ging regelmäßig zum Arzt; alles unauffällig), speziell auch nicht eine Demenz (alles ordentlich, keine verschimmelten Sachen im Kühlschrank, sauberes Bad, allseits orientiert und merkfähig). Jetzt kam Roland auf die Idee einer paranoiden schizophrenen Störung, wovon ihn einige gezielte Fragen des Psychiaters (Manifestationsalter, typische Symptome 1. Ranges, typische Symptome 2. Ranges) wieder abbrachten. Roland schwamm hier ganz schön und war Differentialdiagnostisch nicht sicher, worauf der Psychiater nach der (dennoch bestandenen) Prüfung auch nochmal zu sprechen kam und ihn darauf hinwies, er müsse da sich nochmal einlesen. Mit der Hilfe des Psychiaters kam er aber dann doch noch auf die wahnhafte Störung und sollte jetzt nur noch beantworten wie weiter mit der Patientin zu verfahren sei (ambulante Therapie, fragen, wie sie sonst so zu recht käme). Zur Abschlussfrage wurde der Fall umgestellt und die Wohnung der Patientin neu beschrieben; unordentlich, Schimmel im Kühlschrank, … Die neue Situation zielte auf Fragen zum Betreungsgesetz ab, die Roland souverän beantwortete.

Dann kamen wir zu meinem Fall:

2. Fall: 23-jähriger Sohn ist verändert

Bei mir wird ein Vater vorstellig, der sich große Sorgen um seinen 23-jährigen Sohn mache, der ihm irgendwie entglitten sei. Bisher mache er eine Ausbildung im Vermessungsamt und sei da auch immer gut dabei gewesen, eben eigentlich ein stiller und zuverlässiger Mensch. Jetzt aber sei er ganz verändert, quatsche den Vater zu, höre nicht richtig zu und reiße so zotige Witze. Dazu käme noch, dass er das Auto des Vaters genommen habe. Zwar habe der Sohne einen Führerschein, aber sie hätten eigentlich die Absprache getroffen, dass er nicht mit dem Auto fahren solle. Jetzt aber hätte er damit einen Unfall gebaut, weil er zu schnell gefahren sei. Von der Polizei weiß der Vater auch, dass sein Sohn total verschuldet sei.

An dieser Stelle sollte ich einfach mal meine Gedanken äußern und ggf. Fragen stellen bzw. welche, die ich an den Vater stellen würde. Ich habe nach Substanzgebrauch, organischen Beschwerden und der Dauer der Symptomatik. Organisch gebe es nichts auffälliges, auch nehme der Sohn eher keine Drogen/Substanzen, wenn überhaupt trinke er einmal im Monat zu viel. Die Symptomatik bestünde seit etwa 1 bis 2 Wochen. Anhand des psychopathologischen Befunds hatte ich jetzt meine Verdachtsdiagnose, die ich auch schon mal geäußert habe (Manische Episode), fragte zur Vervollständigung aber noch nach dem sozialen Kontaktverhalten und psychotischen Symptomen. Der Sohn habe viele Freundinnen zur Zeit und habe solche Ideen geäußert wie er wolle jetzt das Bundesvermessungsamt übernehmen. Mit diesem Hinweis auf soziale Enthemmung und Wahnideen schilderte ich also meine Diagnose: manische Episode mit psychotischen Symptomen (Größenwahn). Dann dachte ich, dass ich an dieser Stelle nochmal gut schildern könne, weshalb ich nicht an Schizophrenie denken würde (Dauer, ich-synthymer und "passender" - also nicht bizarrer Wahn). Der Psychiater fragte mich dann, welche Manie das denn genau sei, worauf ich kurz überlegte, aber dann meine Diagnose wiederholte und sagte, dass ich keine anderen Einteilungen kenne. Er sagte mir dann, dass man eine solche Manie auch enthemmte Manie nennen würde und es nach dieser Unterteilung verschiedene Typen gäbe, wie bspw. auch die gereizte Manie, das müsse ich aber auch nicht wissen. Er fragte mich dann, was ich noch wissen wollen würde, worauf ich antworte, dass ich gerne wissen würde, ob es davor schon einmal eine solche Phase oder aber auch eine depressive Phase gegeben hätte. Ja, mit 19 habe der Sohn mal eine Zeit durchgemacht, wo er viel geweint habe, kaum aus dem Zimmer gekommen sei, sich aber letztendlich doch selbst da rausholen könnte. Ich erzählte also ein bisschen was zu affektiven Störungen und diagnostizierte dann die Bipolare Störung. Hier wollte der Psychiater nochmal konkreter wissen, inwiefern sich denn die Bipolare Störung von der Schizophrenie abgrenzen ließe, woraufhin ich die Drittregel der Schizophrenie mit den jeweiligen Verläufen mit schizophrenem Residuum und postschizophrener Depression beschrieb und erklärte, dass es bei der bipolaren Störung gesunde Intervalle zwischen den affektiven Störungen gibt. Warum die Bipolare Störung so gefährlich sei, wollte der Psychiater dann wissen. Wegen der hohen Suizidalität (vgl. manische Episode mit ihren katastrophalen Konsequenzen wie Verschuldung oder ungewollte Schwangerschaften und dann depressive Episode). Zurück zum Vater und dem Fall; Der Vater habe bemerkt, dass auch die Schlüssel vom Auto, der Garage und dem Haus weg sein. Das Auto sei nämlich repariert und stünde in der Garage. Welches Vorgehen solle ich dem Vater raten? Antwort: Polizei und Einweisung ins KH (vgl. Selbst- und Fremdgefährdung durch psychotische Phase in der Manie - der Sohn hat ja sogar schon einen Unfall gebaut). Dann sollte ich noch kurz das weitere Vorgehen nach PsychKG schildern, also nachträglich Gerichtsbeschluss und Gutachten vom SPD, und kurzen Input zur Therapie (Pharmakologisch und Psychotherapeutisch) geben. Dann war ich fertig.

Insgesamt war die Prüfung ziemlich angenehm, weil der Psychiater immer wieder von eigenen Erfahrungen erzählt hat und sich mehr oder weniger ein Gespräch entspinnen konnte. Z.B. hat er erzählt, dass ihm während einer Schicht ein Maniker aus der Klinik abgehauen sei. Fünf Minuten später habe er den Anruf bekommen, dass dessen Auto auch nicht mehr auf dem Parkplatz stünde. Kurze Zeit später sei dann im Radio die Warnung vor einem Geisterfahrer auf dem südlichen Berliner Ring gesendet worden…

So, ich hoffe, ich habe das alles verständlich schildern können und so, dass künftige Prüflinge damit was anfangen können. Mir haben die alten Protokolle geholfen!

Ihnen alles Gute bei vielen weiteren kostbaren Unterrichtseinheiten und für den weiteren Weg!

Liebe Grüße
Daniel

 
Thomas Rehork
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Lichtenberg, 12.12.2019
7.11.2019 Tempelhof Ultrakurzprotokoll

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