Mündliche Prüfung Berlin Tempelhof 30.11.2021
Wir (ich und ein Mitprüfling (Frau, über 60) wurde mit einer 15min. Verspätung in den Raum 303 reingeholt.
Anwesenden waren die Prüferin Frau Resa-T. (Ärztin bei SPD), eine Beisitzerin Frau Krämer-Emke (Heilpraktikerin) und wir beide. Die Prüfung lief ca. 1,5 Stunden. Wir durften auch unsere Notizen während der Prüfung machen. Alle waren sehr nett und entspannt.
Ich war als erste dran. Es wurde ein Rollenspiel mit einer Fallgeschichte gemacht und danach kam noch eine Frage zum Betreuungsgesetz. Ich musste eine Zahl von 1 bis 8 ansagen, mein Fall war #7.
Mutter mit ihrem 22 jährigen Sohn kam zu mir in die Praxis. Der Sohn hat sein erstes Studium abgebrochen, beim zweiten macht er auch nicht mehr weiter, da er das Gefühl hat, dass andere Studenten ihn verfolgen und schlecht über ihn reden. Er hat sich zurückgezogen und verlässt kaum sein Zimmer.
Die Prüferin hat dann die Rolle des Jungen angenommen und ich war dann die Therapeutin. Ich habe ihn zuerst begrüßt und habe gefragt, wie es ihm geht. Er meinte, wie soll es ihm gehen, er wird ja von anderen Leuten verfolgt (Verfolgungswahn). Die laufen ihm auch auf der Straße hinterher. Außerdem höre er wie diese Leute reden. Ich habe nachgehakt und gefragt was die Leute dann so sagen. Antwort: die reden über ihn (also, dialogische Stimmen) und er tut auch alles was die ihm sagen (imperative Stimmen, aber es waren harmlose Sachen, keine Gefährdung oder so). Dann habe ich gefragt, ob er sich zu Hause sicher fühle. Nein, das kann er auch nicht, weil die Nachbarin ja mithört, und nein, er sei nicht verrückt! Wie, meinte ich, kommt die Nachbarin ihn mal besuchen? Nein, sie hat bei ihm im Zimmer Mikrofone installiert.
An der Stelle war es klar, dass es sich um eine paranoide Schizophrenie handelt. Außerdem kannte ich diesen Fall schon wortwörtlich, aber ich wollte sicher gehen.
Nun das Gespräch ging weiter. Um die Diagnose zu bestätigen habe ich gefragt mit dem Anspiel auf Schizoaffektive Störung, wie er schlafe und ob er Appetit hat. Schlafen kann er nicht gut nicht schlecht, essen tut er nicht, da jemand ihn versucht zu vergiften (Vergiftungswahn). Meine Verdachtsdiagnose mit paranoider Schizophrenie hat sich bestätigt. Dann habe ich noch nach Medikamenten, Suchtmitteln und bekannten organischen Störungen gefragt. Die Prüferin kam wieder aus der Rolle und wollte wissen zu welchem Arzt ich ihn den schicken würde, um die organische Ursache auszuschließen. Ich meinte, er könnte differenzialdiagnostisch einen Hirntumor haben und ich würde ihn zuerst zum Neurologen schicken. Die Prüferin wollte wissen, wieso ausgerechnet Neurologe. Ich meinte, da der junge Mann schon mal betont hat, er sei nicht verrückt, konnte ich es mir nicht vorstellen ihn freiwillig zu einem Psychiater zu kriegen, deswegen zuerst der Neurologe als „Ablenkungsmanöver“. Die Prüferin fand es sehr gut. Dann wollte sie ein bisschen Statistik: wann erkrankt man an der Schizophrenie und wie viel Prozent der Bevölkerung sind betroffen, geschlechtliche Verteilung.
Dann habe ich gesagt, ich würde seiner Mutter raten eine Betreuung für die Bereiche Gesundheit und Aufenthaltsbestimmung anzuregen und so ging es rüber zum Betreuungsgesetz. Ich musste erklären, wieso unbedingt die Mutter den Sohn betreuen soll (zuerst Angehörige fragen) und wie der Ablauf ist. Die wollte aber keinen detaillierten Ablauf von mir hören. Ihr hat’s gereicht, dass die Anregung durchs Amtsgericht erfolgt und wer an dem Verfahren beteiligt ist. Dann ginge es um die Betreuungsfristen. Das wars bei mir. Es hat ca. 70 Minuten in Anspruch genommen. Das Gespräch war eher eine Besprechung unter zwei Kolleginnen als eine Prüfung. Die Prüferin hat selbst viel zu Diagnose und dem Betreuungsgesetz erzählt.
Dann war die andere Frau dran.
Zuerst der Fall: eine 55 jährige Frau mit 3 Söhnen, alle mittlerweile aus dem Haus, der jüngste ist gerade ausgezogen. Sie freute sich über mehr Freizeit für sich, kann das aber gar nicht genießen, da sie total erschöpft ist. Das war alles an Informationen.
Sie konnte zuerst nicht so richtig in den Fall reinfinden. Sie fand spontan keine Fragen, die sie der Klientin stellen konnte und blieb bei den Fragen zur Erschöpfung und dem Früherwachen. Sie konnte auch keine Verdachtsdiagnose stellen und hat die Klientin erstmal zum Internisten geschickt. Die Prüferin stieg aus der Rolle und meinte, es wäre ihr zu wenig, man muss schon eine Verdachtsdiagnose stellen. Die VD wäre: Frühdemenz. Die Prüferin war unzufrieden, hat aber mitgeholfen und irgendwann kam man dann zur Depression, Suizid, Therapie und evt. Medikamenten. Dann wollte die Prüferin ohne Details wissen, was man mit der Frau macht, die will sich ja nicht einweisen lassen. Mit der Antwort: die Polizei mit der Feuerwehr fährt die Frau zum psychiatrischen Krankenhaus, war die Prüferin zufrieden. Das war alles. Da ich viel zu lange mit meinem Fall dran war, fehlte am Ende die Zeit und die Mitgeprüfte hatte nur 20 min zu reden.
Wir haben beide bestanden.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei dem Herrn Rehork und unserer Lerngruppe herzlich bedanken. Es war eine tolle, aber auch anstrengende Zeit! Ich habe sehr viel gelernt und wünsche allen, die diesen Weg zum HPP betreiten noch viel Erfolg!
Herzliche Grüße
Anna Likhacheva