Gedächtnisprotokoll Mündliche Prüfung 6.12.2021 Gesundheitsamt Tempelhof-Schöneberg
Ich habe versucht das Protokoll so ausführlich wie möglich zu schreiben, damit man einen guten Eindruck bekommen kann, was einen erwartet…
Ich war schon sehr zeitig da, um mich zu orientieren und wurde sehr nett von Frau Andresen empfangen. Ich wurde gefragt, ob ich einen Stift und etwas zu trinken dabei habe. Einen Stift hatte ich, etwas zu trinken nicht. Ich war davon ausgegangen, dass wir das nicht mit in den Raum nehmen dürfen. Da ich noch Zeit hatte, bin ich mir nochmal etwas holen gegangen. Ich kann sehr empfehlen frühzeitig da zu sein, die netten Gespräche vor Ort und das ‚sich einstimmen können‘ halfen mir beim Runterkommen. Dann wurde ich eine Etage höher geschickt, wo meine Mitprüflingskollegin (im weiteren MPK) schon wartete. Auch hier tat es gut, dass wir uns ein wenig austauschen konnten. Sie hatte sich im Selbststudium vorbreitet. Die zwei, die vor uns geprüft wurden, sind zwar recht flott an uns vorbei gegangen (sie wollten wahrscheinlich schnell ihre Urkunden abholen😊), wir hatten aber noch kurz die Möglichkeit zu fragen, wie es war und sie zeigten einen Daumen nach oben und sagten, dass die beiden Prüferinnen sehr nett waren. Ich merkte, dass ich insgesamt durch die netten Begegnungen mittlerweile sehr viel entspannter war.
Wir wurden von Frau Reza-T., einer Ärztin vom SPD geprüft und eine nette Heilpraktikerin hat als Beisitzerin Protokoll geschrieben.
Wir wurden begrüßt, uns wurde gesagt, dass die Prüfung aufgenommen wird und bei Bestehen direkt wieder gelöscht wird. Nur im Falle einer nicht bestandenen Prüfung wird die Aufnahme behalten als ‚Beweismaterial‘, falls die geprüfte Person die Entscheidung anfechtet. Uns wurde erklärt, wie die Prüfung abläuft: Die Prüferin hatte 8 Fälle vorbereitet, wir sollen eine Zahl nennen, dann gibt es ein Rollenspiel und im Anschluss wird nochmal auf einen rechtlichen Teil eingegangen.
Dann wurden wir gefragt, ob wir schon entschieden hätten, wer anfangen will. Da meine MPK sagte, dass es ihr egal sei, sagte ich, dass ich gerne als zweite möchte.
Sie nahm die Nummer 6 und erwischte den Fall, der schon häufiger in Prüfungsprotokollen aufgetaucht ist: Die Anfang 20-jährige Frau, die mit ihrem Vater in die Praxis kommt. Der Vater macht sich Sorgen, die Tochter hätte sich sehr zurück gezogen, die Vorhänge in ihrem Zimmer seien immer zugezogen, sie könne nicht mehr arbeiten gehen und laufe nachts häufig durch die Wohnung. In der Schule sei sie früher sehr gut gewesen, aber ab der 10. Klasse verschlechterte sich ihre Leistung rapide.
Frau Reza T. spielte die junge Frau wirklich sehr eindrücklich. Sie war sehr unruhig, scharrte mit den Füßen auf dem Boden, schaute oft im Raum umher und wirkte etwas ängstlich und gereizt. Meine MPK ging mit ihr ins Gespräch und begrüßte sie. Sie ließ sich ein bisschen die Situation erläutern und fragte dann, ob es möglich sei mit ihr alleine zu sprechen und ob es ok sei, wenn sie den Vater vor die Tür schickt.
Der Vater wurde rausgeschickt. Dies war ein wichtiger Teil des Geschehens.
Im Rollenspiel stellte sich dann heraus, dass die junge Frau sich von ihrer Nachbarin verfolgt fühlt, die hätte bestimmt Mikrofone in ihrem Zimmer und in der gesamten Wohnung versteckt. Hier seien bestimmt auch welche. Die Nachbarin weiß eh alles über sie. Meine MPK fragte sie, ob sie schonmal bei einem Psychiater war. „Nein, wieso? Ich bin doch nicht verrückt. Meine Nachbarin, die ist verrückt. Die soll da mal hin!“ Auch stellte sich heraus, dass die junge Frau Stimmen hört. Meine MPK fragte, was die Stimmen sagen würden. Darüber durfte die junge Frau nicht sprechen.
Dann ging es um Suizidalität. Meine MPK fragte, ob sie schonmal daran gedacht hat sich das Leben zu nehmen. Die junge Frau wurde ganz still und sagte nichts mehr.
Dann war das Rollenspiel vorbei. Die Prüferin stieg aus ihrer Rolle aus und fragte meine MPK, was sie mit dieser Patientin machen würde. Sie antwortete, dass diese schnellstmöglich in psychiatrische Behandlung müsse und medikamentös eingestellt werden müsse. Welche Medikamente und warum? Welche Verdachtsdiagnose? Paranoide Schizophrenie. Von den folgenden Punkten weiß ich nicht mehr genau die Reihenfolge:
Differenzialdiagnostische Überlegungen: Hebephrene Schizophrenie / Manie / schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen. Abgrenzen: Welche Symptome und Anhaltspunkte treten bei der jungen Frau auf, die auch zu diesen Störungsbildern passen könnten? Und begründen, warum es diese nicht sind. Hier haben Stichworte gereicht. Was muss noch alles abgeklärt werden? Organische Ursachen. Was z.B.? Hier kam meine MPK leider nicht auf den Hirntumor, der der Prüferin sehr wichtig war. Die Prüferin hat ihr viele Tipps gegeben und ihr Zeit gelassen, aber es ist ihr nicht eingefallen. Wo kann noch psychotisches Erleben auftreten? Drogenkonsum. Welche Drogen genau? Hier nannte meine MPK vor allem Halluzinogene. Der Prüferin waren noch Kokain und Cristal Meth wichtig. Dann wurde noch kurz über die Alkoholhalluzinose gesprochen. Nochmal zurück zur Schizophrenie und dem Fall: Wie häufig kommt Schizophrenie vor? Hier ging es dann kurz darum, ob ‚Stimmen hören‘ in der westlichen Welt anders eingeordnet wird als z.B. bei Naturvölkern. Der Prüferin ging es aber explizit um das Störungsbild der Schizophrenie. Das wusste meine MPK nicht Etwa 1 % der Weltbevölkerung. Dann ging es darum, was meine MPK dem Vater für den weiteren verlauf noch raten würde. Es ging nun um das Betreuungsgesetz und darum, wie eine Betreuung eingerichtet wird und wie das mit den Aufgabenbereichen funktioniert. Hier wurde sehr genau nachgefragt und auf die Begrifflichkeiten geachtet, wie z.B. dass eine Betreuung ´angeregt‘ und nicht ´vorgeschlagen‘ wird. Außerdem wurde gefragt, wie viele Aufgabenbereiche es gibt, für die eine Betreuung eingerichtet werden kann. Meine MPK sagte 4, das stimmt aber nicht. Es gibt zwar Bereiche, die häufig vorkommen, es wird für jeden Menschen aber ganz genau geschaut, wo die Unterstützung gebraucht wird.
Dann war ihre Prüfung vorüber und ich war an der Reihe und durfte mir einen Fall aussuchen. Ich ärgerte mich ein bisschen, da ich den vorherigen Fall in- und auswendig kannte und alle Fragen beantworten konnte. Dieser Fall war nun leider schon weg und ich nannte zuerst die Nummer 8. Der Fall war zu ähnlich zu dem vorherigen, daher sollte ich neu wählen. Ich nannte die 5:
Frau Anfang 30, Seit 2 Jahren immer wieder Husten, Halsschmerzen, Kribbeln in den Fingerspitzen, Diarrhoe, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, ist immer wieder krank, über 30 Tage im Jahr krankgeschrieben, fühlt sich nicht mehr leistungsfähig, braucht häufig Pausen, von Arzt zu Arzt, keine organischen Ursachen, fühlt sich nicht ernst genommen.
Die Prüferin stieg in die Rolle ein: Sie war ein wenig gereizt und wisse eigentlich nicht, was sie hier soll. Sie ist nur hier, weil ihre Hausärztin sie hierhergeschickt hat.
Erstmal habe ich wertgeschätzt, dass sie trotzdem gekommen ist und sie gefragt, wie es ihr geht. Sie schilderte sehr ausführlich und relativ lang, dass sie einen langen Leidensweg hinter sich hat und ist immer wieder drauf eingegangen, dass sie den Ärzten nicht mehr vertraut, da sie ja so viele körperliche Symptome hat und ihr keiner helfen kann. Sie sagt, dass sie sich Sorgen macht, wie das in der Zukunft weitergehen soll.
Es wurde bei beiden Fällen erwartet, dass sehr einfühlsam mit den ‚Patienten‘ umgegangen wird. Man sollte zeigen, dass man fähig ist gut in Kontakt mit ihnen zu gehen und die Patienten respektvoll behandelt.
Ich zeigte Mitgefühl und sagte, dass ich mir vorstellen kann, dass das sehr belastend für sie sein muss. Ich entschied mich während des Gesprächs noch einige Fragen zu stellen, die für differenzialdiagnostische Überlegungen wichtig waren. Ich hatte den Eindruck, dass die Prüferin das gut fand. Z.B. fragte ich, ob sie denn überzeugt ist an einer bestimmten Krankheit zu leiden, ob sie auch Ängste hätte und wie es mit den Sorgen um die Zukunft aussieht und klopfte noch andere depressive Symptome ab. Dann fragte ich, ob denn vor 2 Jahren etwas passiert sei, z.B. ein einschneidendes Erlebnis. Sie erzählte, dass die Firma, in der sie gearbeitet hat, pleite gegangen ist. Dort hatte sie einen Job, in dem sie zeigen konnte, was sie kann und hat Anerkennung bekommen. Nun ist sie in einem Job, in dem sie sich nicht wohl fühlt und auch keine Anerkennung mehr bekommt. Und dann bemerkte sie noch wütend, dass sie von ihrer Familie auch keine Unterstützung bekommt und auch noch nie bekommen hat. Nun war ich an dem Punkt auf das Thema Suizidalität einzugehen. Ich fragte sie, ob sie schonmal daran gedacht hat sich das Leben zu nehmen. Sie sagte, dass sie schonmal dachte, ob es nicht besser wäre dem Ganzen ein Ende zu setzen, sagte dann aber bestimmt, dass sie jetzt noch keine Pläne gemacht hat oder so. Ok, also keine akute Suizidalität. Ich hatte den Eindruck, dass es darum ging zu zeigen, dass man keine Angst hat das Thema anzusprechen. Ich hatte das Gefühl genug gehört zu haben und sagte, dass ich sie gerne weiter unterstützen würde und nun ein paar Ideen hätte, wie wir weiter vorgehen können.
Die Prüferin lachte und stieg aus ihrer Rolle aus. Sie sagte so etwas wie: „Gut, bevor Sie jetzt anfangen mich zu therapieren, sprechen wir lieber noch über den Fall.“ Ich sagte gleich zu Anfang, dass ich etwas unsicher bin, da ich gehofft hatte, dass genau diese Störungsbilder bei mir nicht drankommen, da ich Somatisierungsstörung und autonome Funktionsstörung immer verwechsle (jetzt im Nachhinein ist mir der Unterschied total klar und ich finde es doch gut, dass ich diesen Fall bekommen habe). Sie war sehr zuvorkommend und sagte etwas wie: Ok, dann schauen wir mal. Nun haben Sie ja schon 2 Störungsbilder genannt. Dann erzählen Sie mal. Was unterscheidet diese beiden Störungsbilder? Und was ist dementsprechend Ihre Verdachtsdiagnose? So kam ich dann zur Somatisierungsstörung. Ich sollte nochmal die Diagnosekriterien erläutern (dass min. 6 Symptome vorliegen müssen, hatte ich vergessen) und auch hier kam wieder die Frage, wie häufig sie vorkommt. Ich sagte 5%. Etwas zu viel, eher 3%. Welche Krankheiten können noch häufig komorbid auftreten und warum? Abhängigkeiten / Depression / Ängste Wie häufig Depression? Ich wusste es nicht genau, sagte aber bestimmt sehr häufig, auch wegen der langen Leidensgeschichte 30%-50%. Ja, ca. 50%. Was können Gründe für die Entstehung einer Somatisierungsstörung sein? Hier hat die Prüferin nochmal auf die Aussage der Patientin über ihre Beziehung zu ihrer Familie verwiesen. Ich ging auf die Entstehung einer Neurose nach psychoanalytischer Sicht ein, hätte im Nachhinein gerne noch erwähnt, dass es häufig vorkommt, dass diese Menschen in ihrer Kindheit eher Zuwendung bekommen haben, wenn sie körperlich krank waren.
Dann ging es zurück zum Fall: Und was machen sie, wenn die Frau nun doch akut suizidgefährdet ist? Da wollte sie das genaue Vorgehen hören und wer genau das Gutachten schreibt (Ein Arzt vom SPD, NICHT der Arzt aus dem Krankenhaus)
Die Prüfung wurde beendet und wir wurden rausgeschickt. Nach einer gefühlten Ewigkeit wurden wir wieder reingeholt. Die Prüferin sagte mir gleich, dass ich bestanden hatte. Meine MPK hatte leider nicht bestanden. Ich war überrascht, damit hatte ich nicht gerechnet. Es tat mir sehr leid für sie. Sie sprachen noch darüber, warum: Der Prüferin war es an einigen Stellen zu wenig. Es wurde vor allem bemängelt, dass der Hirntumor bei der organischen Abklärung nicht benannt wurde, dass der Krankheitswert von Schizophrenie etwas runtergespielt wurde (so hat die Prüferin es nicht ausgedrückt, aber es war ihr nicht ernsthaft genug) und die Erklärung zum Betreuungsgesetz war ihr auch zu wenig.
Ich habe zusätzlich zum Kurs 5 Online-Termine mit einer Lerncoachin gemacht, wo wir gezielt mündiche Prüfungen geübt haben und ich hatte eine Coachingsession zu meinem Glaubenssatz: 'ich muss alles wissen'. Beides hat mir sehr für diese Prüfung geholfen. Sagt euch: Es ist möglich diese Prüfung zu bestehen! Und falls ihr die Nummer von der Lerncoachin haben wollt, sagt gerne bescheid (hanna_rosebrock@web.de)
Ich danke Herrn Rehork ganz herzlich für die tolle Vorbereitung und wünsche allen Prüflingen alles Gute!
Viele Grüße,
Hanna