Mündliche Prüfung Tempelhof-Schöneberg, 31.05.2011

#1 von Anna , 06.06.2011 01:54

Hallo Herr Rehork,

am Dienstag, 31.05.2011 habe ich die mündliche (Über-)prüfung auch erfolgreich hinter mich gebracht.

Es fühlte sich recht leicht an; wahrscheinlich, weil ich doch besser vorbereitet war als ich dachte.

Wir wurden zu dritt geprüft. Von Dr. Finger, ein relativ junger, unkompliziert wirkender Arzt (Karohemd mit kurzem Arm, Jeans und Turnschuhe) und Frau Dagmar Hahn, Heilpraktikerin vom HP-Verband.

Die Atmosphäre war von Beginn an recht angenehm. Was sicherlich auch mit dem ersten Kontakt mit meinen Mitstreiterinnen zu tun hatte, die mir beide sympathisch waren.
Hinterher stellten wir fest, dass wir institutionelle und personelle Überschneidungen hatten. Die Welt ist so klein….
Dr. Finger schien sich spontan Fälle auszudenken, jedenfalls hatte er nirgends etwas zum Ablesen und entwickelte die Fälle, sicherlich in Anlehnung aus der Praxis, recht spontan weiter.
Frau Hahn schrieb mit und lächelte während des Verlaufs immer wieder wohlwollend.
Kurzer Hinweis auf das Aufnahmegerät auf dem Tisch in der Mitte. „… mit der Gefahr, dass man eh hinterher nichts versteht bei dem Lärm…“ (das Fenster war geöffnet bei sommerlichen Temperaturen).
Ich musste mir dann erst noch mal richtig die Nase putzen, weil ich vor den beiden Prüfern mit meiner Erkältung fast zerfloss (hatte am Wochenende angefangen und sich heute noch gesteigert, prima…).
Es war insgesamt alles recht lebendig und diejenigen, die nicht geprüft wurden gingen innerlich mit.
Ich kam dadurch gar nicht dazu aufgeregt zu sein.


Als erstes wurde die angehende „Feldenkreislerin“ geprüft.
Ihr Fall: ein 50-jähriger Mann kommt über körperliche Beschwerden klagend zu ihr. Er sei schon bei vielen Ärzten gewesen, eine Magenspiegelung und diverse andere Untersuchungen habe er schon über sich ergehen lassen.
Sie bietet ihm erstmal einen Platz an, heißt ihn willkommen. (das ist generell ein guter Einstieg, auch um überhaupt selbst hinein zu kommen).
Klar, V.a. Somatisierungsstörung. Die Kriterien konnte sie gut benennen. Als DD nannte sie Depression, klärte das ab. Als weitere Idee für eine DD war die Dysthymia und Hypochondrie. Auch hier konnte sie recht gut die abklärenden Fragen stellen.
Kurze Suizidabfrage, die nicht vertieft wurde.
Wichtig beim Fall war: den Mann fragen, wann er denn das letzte Mal bei den Ärzten war, ansonsten auf jeden Fall noch mal hin, schließlich kann sich doch immer noch etwas entwickeln.
Ihr Angebot u. a. : Entspannungsübungen.
Wurde angenommen.

Dann war meine zweite Mitstreiterin dran. Eine gestandene Person, die eh aus dem sozialpsychiatrischen Bereich kam.
Ein junger Mann, 20 Jahre kommt zu ihr. Weiß aber nicht warum, er wurde von seiner Freundin geschickt, weil sie es kaum noch aushalte mit ihm.
Er bekommt auch eine freundliche Begrüßung und einen Platz angeboten.
Sie tippte sogleich auf Cannabis-Konsum und traf damit ins Schwarze.
Sie hatte auch gute Fragestellungen, um noch mehr Infos zu bekommen.
DD konnte auch eine Hebephrenie sein, was sie auch elegant ab- und hinterfragen konnte. Auf die Frage, was sie dann mit ihm machen würde reagierte sie spontan, dass sie ja gar nichts machen dürfe.
Es gab noch mehr zum Fall, was mir leider nicht mehr einfallen will. Ach ja, Betreuungsgesetz….
Alles wurde wohlwollend abgenickt (= bestätigt) oder entsprechend „weiter gesponnen“.


Dann kam ich an die Reihe. Und war immer noch nicht aufgeregt. Im Gegenteil. Es hatte jetzt etwas sportliches und ich freute mich gerade zu auf meinen Fall (verrückt, nachdem ich so geschlottert hatte am Wochenende….).
Dr. Finger: „Also, zu Ihnen kommt jetzt mal….. eine Frau…. ja … eine Frau hatten wir heute noch nicht… 30 Jahre alt und weint und weint und sagt unter Schluchzen, sie wolle nicht drüber reden, es sei so furchtbar. Was machen sie mit ihr?“
Logisch, einen Platz anbieten und dazu ein Taschentuch. Wurde von den beiden Prüfern mit einem freundlichem kleinen Lachen und „gute Idee“ quittiert.
Den weiteren Verlauf dachte ich auch laut, so dass mein Vorgehen wie bei den anderen beiden Prüflingen transparent und nachvollziehbar war.
Ich gab also der jungen Frau erst mal den Raum, sich ausweinen zu dürfen. Seltsam, dass sie damit zu mir kam, nicht zu Angehörigen, Freunden. Und so konnte ich sie auf mich wirken lassen.
Meine Idee war eine akute Belastungsreaktion, was auch sogleich wohlwollend von Dr. Finger bestätigt wurde.
Langsam beruhigte sie sich etwas und Dr. Finger gab mir den Hinweis, dass mir jetzt einige blaue Flecken, u.a. im Gesicht auffallen würden.
Ich machte die junge Frau auf meine Beobachtung aufmerksam und dass sie mir dann doch schon ein wenig erzählen müsste, wenn sie Unterstützung von mir haben möchte. An dieser Stelle hätte ich super die Schweigepflicht erwähnen können, aber es war auch so o.k.
Die Frau erzählte, ihr Mann habe sie zum wiederholten Mal geschlagen.
Warum kommt sie zu mir, und geht nicht zu Verwandten, Freunden. Nach Ressourcen gefragt.
Nichts da, die Frau ist sozial isoliert, keine Verwandtschaft, die zur Verfügung steht.
Also alles in Richtung unterstützende Maßnahmen.
Entsprechende Einrichtungen ihr vorschlagen; mir fiel das Frauenhaus in dem Moment nicht ein, aber ich überlegte laut andere Institutionen, die ich sogleich verwarf, so dass die beiden Prüfer sahen, dass ich Ideen hatte.
Also, die Frau nimmt das Angebot mit dem Frauenhaus an (Dr. Finger verwies sie da einfach hin…), kommt aber weiterhin zu mir und wirkt nach einiger Zeit, bzw. im Verlauf verlangsamt.
V.a. depressive Episode, die ausgelöst durch eine akute Belastungsreaktion sich entwickeln kann. Also genau abgefragt, vorsichtshalber auch suizidale Absichten abgefragt; alles wurde wohlwollend abgenickt.
Eine Depression hatte sie aber nicht.
Ich merkte an, dass Menschen in belastenden Situationen manchmal zu destruktiven Lösungen, wie diversen Stoffe greifen, z. B. Alkohol, Drogen, Medikamente.
Also auch hier abfragen. Das CAGE-Screening eingeworfen, war aber nicht nötig.
Es stellte sich heraus, dass die Frau regelmäßig Benzodiazepine nahm und diese vor allem über Mitbewohnerinnen im Frauenhaus bekam.
Ich ließ spontan die Alarmglocken klingeln. Hier fände ich Aufklärung angebracht. Die Frau wüsste sicherlich nicht wirklich, dass das Zeug bereits nach wenigen Wochen abhängig macht. Und ihr dringend anrate, mit professioneller Hilfe davon weg zu kommen. Ich erwähnte die 4 Phasen der Therapie bei Abhängigkeiten.
Und wie jetzt? Na ja, ich bin ja bereits in der Kontakt- und Motivationsphase mit der Frau, sie zeigt Einsicht, so dass sie in einer Klinik die Entgiftung durchführen kann. Wichtig: sie darf die Tabletten nicht einfach so absetzen, sondern das muss Schritt für Schritt gehen (das reichte aus, ich musste nicht „fraktionierter Entzug“ sagen). Weiter kam ich gar nicht zum Reden, weil Dr. Finger schon einwarf: „Na und nach 2 Wochen ist sie dann clean und draußen und alles ist schön.“ Nein! Diese Frau sollte natürlich noch die Entwöhnungsphase dran hängen. Hier würde ich doch sehr empfehlen, diese in der Klinik vornehmen zu lassen, weil das soziale Umfeld alles andere als förderlich ist und der Rückfall geradezu vorprogrammiert ist.
Und ich würde ihr das Angebot machen, hinterher in der Phase der Nachsorge für sie da zu sein.
Auch das wurde wieder wie alles andere wohlwollend abgenickt.

Auch mein Fall dauerte nur 20 Minuten und ich kam gar nicht dazu so viel zu erzählen, weil Dr. Finger viel erzählte von den Fällen und viele gute Vorlagen lieferte.

Wir wurden hinaus und nach ca. 1 – 2 Minuten wieder hinein gebeten.
Dr. Finger meinte trocken, na wir könnten es uns ja schon denken, wir hätten alle drei bestanden, herzlichen Glückwunsch.

Er wollte gerne eine Rückmeldung über die Prüfung haben, und bekam auch prompt viel Lob von uns dreien für die angenehme Prüfungssituation. Und den Hinweis, dass einem so viel zum Fall einfällt, der gerade gar nicht der eigene ist.
Frau Hahn freute sich über ein Kompliment von mir. Sie hatte die ganze Zeit nichts gesagt, aber es war so angenehm, wie sie uns immer wieder an- und zuschaute, lächelte, bestätigend nickte, dass das auch ganz stark wirkte.
Dann wollten beide noch wissen, was wir denn jetzt mit der Erlaubnis vorhätten. Jeder von uns erzählte kurz etwas.
Dr. Finger bedankte sich bei uns für die schöne, angenehme und gelungene Prüfung, und dass er mit gutem Gewissen gerne die Leute zu uns schicken würde.

Zu dritt sind wir dann den obligatorischen Gang zum Postamt und zurück und hatten da auch noch Zeit für einen Schnack.

Es war insgesamt so angenehm und rund wie ich es überhaupt nicht gedacht hätte.
Und obwohl mein Morgen angefangen hatte, dass ich mein Fahrrad mit einem platten Vorderrad vorfand und jetzt mit den Öffentlichen fahren musste (was bei der Strecke für mich viel zeitaufwendiger war als mit Fahrrad) und so 2 Minuten vor dem Termin bei Frau Pehrisch im Gesundheitsamt erschien. Uff!

Vielen Dank an sie, Herr Rehork, für den schönen, interessanten und humorvollen Unterricht. Und die guten Unterlagen, die hilfreiche CD und das Forum.
Vielen Dank auch an dieser Stelle an meine Super-Lerngruppe (Christine, Bianca und Bärbel), die sich aus dem Kurs bei Ihnen ergeben hat. Das war einfach genial, wie ihr mich „in Schuss“ gebracht habt und so mitgegangen seid.

Hilfreich für die gesamte Überprüfung fand ich:
- einen Vorbereitungskurs zu besuchen,
- die entsprechende "Rehork-CD" mit den vielen Materialien und den Fragebögen, super!
- hilfreiche und nicht zu viel zusätzliche Literatur (HP für Psychotherapie von C. Ofenstein, Thieme-Buch,
50 Fälle Psychiatrie und Psychotherapie – Bed-side-learning; GK3);
- mit der Lerngruppe spätestens 3 - 4 Monate vor der ersten Prüfung treffen und abfragen; v. a. Fälle besprechen;
- viele Videos zu Störungsbildern im Internet, youtube, anschauen;
- mein „ICD-10-Lernparcours“ bei mir zu Hause mit den ganzen selbstgemachten Lernkärtchen; und sich selbst oder einen
Teddy voll quatschen, wenn niemand anderes da ist;
- gegenseitiges Ermutigen und nicht auf Prüfer im Vorfeld schimpfen, sondern achtsam darüber reden (danke Bianca, Du bist
mir da echt wieder ein Vorbild gewesen!);
- mich auf das Lernen und die Thematik fokussieren, soziale Kontakte herunter fahren, Termine streichen oder gar nicht
erst eingehen; es gibt ja ein Leben danach (und das läuft jetzt wieder super);
- sich selbst eine angenehme Lernatmosphäre schaffen (erst aufräumen, Tee machen, etwas süßes), das war für mich
angenehm;

Allen anderen, die es noch vor sich haben: viel Spaß beim Lernen und viel Erfolg!

Anna  
Anna
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RE: Mündliche Prüfung Tempelhof-Schöneberg, 31.05.2011

#2 von Thomas Rehork , 06.06.2011 23:55

Herzlichen Glückwunsch zur bestandenen Prüfung und vielen Dank für das ausführliche und informative Prüfungsprotokoll mit den vielen guten Tipps!

Liebe Grüße
Thomas

 
Thomas Rehork
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Prüfung 16.6.2011
Prüfung Mai 2011 Tempelhof

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