Lichtenberg 4.5.2022

#1 von Thomas Rehork , 05.05.2022 23:05

Mündliche Prüfung 04.05. 22 Lichtenberg

Lieber Herr Rehork,
das war eine sehr anspruchsvolle mündliche Prüfung.
Ich war allein vorgeladen und war fast eine Stunde in der Prüfungssituation.

Die Fragen zur Betreuung waren komplex.
Ich habe - wegen der Länge der Prüfung - auch nicht mehr alles behalten.
Ich wußte nicht was seelisch meint.
Im Gesetz steht, es bezieht sich:
auf volljährige Personen, die ihre eigenen Angelegenheiten nicht mehr alleine regeln können, weil sie aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht mehr in der Lage sind.....

Auf jeden Fall war es eine sehr aufregende Erfahrung.

Ich werde Sie vermissen!
Es war ein tolles Jahr mit Ihnen!
Ihr Wissen, Ihre Großzügigkeit, Ihre Warmherzigkeit, Ihre gesellschaftskritische Einstellung und Ihr Humor haben mich sehr motiviert.
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Ich wurde allein geprüft.

Aus drei Rechtsfragen zog ich die Karte zum Betreuungsrecht:

Wer kann betreut werden.
Wie kommt Betreuung zustande.
Wie funktioniert Unterbringung nach Betreuungsrecht

Sie hat alles im Detail gefragt:
Volljährig war klar.
Geistig und körperlich war klar.
Sie wollte noch eine Kategorie: seelisch.

Was kann betreut werden:
Vermögenssorge, Gesundheitssorge, Aufenthalt, Schrifverkehr mit Behörden

Es gilt Erfordernisprinzip. Ich brachte den Fall mit dem Hausverkauf. Älterer Herr ist überfordert mit Hausverkauf und beantragt nur für diese Abwicklung eine Betreuung.
Damit konnte ich wieder was gut machen.
Sie meinte:
Wichtig ist auch Kinderbetreuung.
Wenn eine betreute Person in psychiatrische Einrichtung kommt – was wird mit den Kindern? Dafür kann man speziell Betreuung beantragen.

Wie kommt Betreuung zustande?
Der zu Betreuende kann selbst beantragen, andere nur anregen – beides beim Betreuungsgericht.

Ich krieg das nicht mehr alles zusammen, sorry, sie hat mich über 50 Minuten in die Mangel genommen....

Sie fragte dann: wann kann man eine betreute Person gegen ihren Willen in eine Einrichtung bringen?

Ich brachte den Fall von der älteren Dame, die ihre Wohnung schon öfters geflutet hat und auch schon mal ein Feuer gelegt hat aber nicht aus der Wohnung raus will, also eine Gefahr für sich ist.

Was ist der Unterschied zwischen Unterbringung nach Psych KG und Unterbringunsgesetz?

Bei Betreuung geht es nur darum, ob die Person eine Gefahr für sich selbst darstellt.
Wenn sie eine Gefahr auch für andere ist, ist sofort das Psych KG zuständig.

Warum gibt es zweimal dieses Unterbringungs-Prozedere? Warum reicht nicht das Psych-KG?

Wußte nicht, worauf sie hinaus wollte.

Weil man nach Psych-KG nur akute Fälle unterbringen darf.
Wenn ein junger Mann seit 2 Wochen nur noch rohe Erbsen ist und schon 20 kg abgenommen hat, kann Psych KG nichts machen. Wenn er nach weiteren 2 Wochen nur Erbsen essen schon 40 kg abgenommen hat aber noch geistig beieinander ist, kann Psych KG nichts machen, obwohl abzusehen ist, dass der Mann stirbt.

Nach Psych KG kann SPD nur tätig werden, wenn akute Gefahr besteht.

Dann noch die Frage:

Sie sind Betreuerin von einem jungen Mann, der psychotische Zustände hatte / Schizophrenie (weiss nicht mehr), dieser Mann ist jetzt, nach längerem Klinikaufenthalt und Therapie gut eingestellt, es geht ihm gut.
Er will jetzt einen Flug buchen und den Kilimandscharo besteigen. Es ist allerdings bekannt, dass der Mann Herzprobleme hat. Das Bergsteigen könnte sehr gefährlich für ihn werden, auch der lange Flug.
Ich glaube, ich habe in dem Fall die Betreuung für Aufenthalt und Gesundheitsvorsorge.

Frage von ihr: Kann ich den Mann daran hindern, die Reise zu machen?

Lange gerätselt. Dann: eher nein...?...
Warum?
Weil die individuelle Freiheit des einzelnen das höchste Gut ist.....?...
Ja, richtig, und? Weiß nicht.

Weil die Betreuung sich nur auf die Grunderkrankung bezog - seine Schizophrenie.


Der Fall:
eine 24-jährige junge Frau, Eventmanagerin, kommt in meine Praxis.
Sie ist ängstlich.
Erzählt, daß in ihrer Kindheit ihre Eltern sich immer gestritten haben.
Sie kommt dann ein zweites Mal in die Praxis und sagt, ihre Eltern würden über sie sich Gefechte liefern, wer ist wie und wie oft usw. zuständig für sie, das würde sie sehr ängstigen.
Sie kommt ein drittes Mal in die Praxis, ist sehr aufgewühlt und verängstigt und erzählt, daß 5 dunkle Gestalten in ihrer Wohnung wären mit sehr bösen Augen, die würden sie ansehen und in ihren Augen könnte sie sehen, daß sie satanisch wären und sie quälen würden. Sie könne nur mit ständigem Rosenkranz beten das aushalten.

Ich soll erstmal nur die ersten beiden Besuche anschauen.
Was ist meine Diagnose, wie gehe ich vor?

Ich frage nach. Wie lange ist sie in Berlin.

Was fragen Sie als erstes?
Was führt sie zu mir, wie geht es Ihnen?
Ja. weiter. Was fragen Sie dann?

Kommt sie auf der Arbeit klar? Ja, nur alles eher oberflächliche Kontakte.
Sie bräuchte mal jemanden zum reden, dort geht das nicht. Alle sind da immer gut drauf. Party bis morgens..es gäbe auch Konflikte, sie wäre schon ziemlich mitgenommen von einem Konflikt.
Ihre Mutter hätte ihr geraten, zum Heilpraktiker zu gehen und dort über alles zu sprechen.
Sie wüßte auch nicht mehr genau, ob es der richtige Schritt war, nach Berlin zu gehen.

Ich frage sie nach ihrer Wohnsituation. Alles okey.
Hat sie einen Freund? Nein zur Zeit nicht.
Nach Krankheiten. Ganz gesund.
Nach Substanzen-Konsum.
Ja, auf der Arbeit wird viel Champagner getrunken, es liegen auch alle möglichen Pillen dort herum. Sie würde die aber nicht nehmen.
Wenn sie morgens nach Hause kommt nach der Arbeit, raucht sie einen Joint um runterzukommen.

Das machen Sie regelmäßig?
Ja, das tut mir gut, ist doch nichts dabei. Hilft mir zu entspannen.

Weitere Fragen nach Anamnese:
Sind die Eltern noch zusammen?
Nein getrennt, seit meinem 8. Lebensjahr.
Ich kam dann irgendwann in ein Internat.
Da hatte der Stress, wer von meinen Eltern ist zuständig, zu wem gehöre ich usw. ein Ende.
Eine Superlösung.

Kamen Sie gut zurecht im Internat?
Ja, war Superzeit. Hat mir Spaß gemacht.

Die Frau war also als Kind und Teenager gut integriert, hatte Spaß am Lernen, hatte Freunde....

Wie nehmen Sie die Frau wahr?
Sie ist etwas instabil wegen der neuen Situation.
Sie könnte eine Anpassungsstörung haben wegen dem Umzug und der Neuorientierung in der fremden Stadt, der neuen Arbeit..
Sie könnte auch eine leichte depressive Episode haben, müßte man alles weiter erfragen.
Sie könnte auch etwas desorientiert sein und ihre Ängste könnten stärker werden. Sie könnte Mistrauen entwickeln und man müsste schauen, ob es erste Anzeichen für eine paranoide Schizophrenie gibt..

Aber eigentlich erscheint die Frau mir relativ normal.

Also, laut ICD 10, was könnte auf die Frau zutreffen?
Sie fragte alles von F0 bis F7. Ich wußte in der ICD 10 Bescheid, das konnte sie merken.
F0 nicht relevant
F1 ja, eventuell Drogenkonsum, Mariuhana..
F2 Schizophrenie aktuell keine Auffälligkeiten
Wollte dann besonders schlau sein, und meinte bei F2, vielleicht Derealisationsgefühle hier und da.
Die Derealisations- und Depersonalisationsgefühle stehen in F4. Upps.
Hat sie nicht kommentiert.
F3 vielleicht Dystymia, vielleicht leichte depressive Epsisode..
F4 meinte ich, vielleicht generalisierte Angststörung oder Anpassungsstörung
Aber alles nicht wirklich ausgeprägt
F5 vielleicht hat sie Schlafstörungen, weil ohne Joint kein Schlaf...
Essstörungen hat sie nicht, sexuelle Probleme müsste man erst erfragen..
F6 keine ausgeprägte Persönlichkeitsstörung, vielleicht abhängige Persönlichkeit, weil sie aus der Kindheit die Bindungsstörung mitbringt, aber eher nicht.
F7 natürlich nicht und F8 und F9 auch nicht relevant.

Jetzt kommt die Frau das dritte Mal in die Praxis.
Was hat die Frau?
Ich sage, ich vermute, jemand von der Eventagentur hat sie überredet eine von den Pillen zu schlucken.
Sie ist hochgradig psychotisch.
Was machen Sie?
Ich frage sie, ob sie erkennt, daß die Gestalten Halluzinationen sind?
NEIN, NEIN, ganz real!!!
Okey, dann wäre es das beste, Sie lassen sich psychiatrisch behandeln in einer Klinik. Ich würde das jetzt für Sie organisieren?
NEIN, ich will nicht in eine Klinik.
Dann muss ich den SPD anrufen.
Es ist 18.00 Uhr.
Ach so, dann rufe ich den Krisendienst.
Da ist nur ein Sozialarbeiter, überlastet.
Dann rufe ich die Polizei.
Inzwischen ist die Frau auf die Strasse gelaufen und läuft die Landsberger Allee entlang.
Was machen Sie?

Was soll ich da machen? Ich beschreibe die Person und bitte die Polizei nach ihr zu suchen.

Nein, sie gehen mit dem Handy am Ohr hinter ihr her.
Sie beschreiben der Polizei immer genau, wo sie ist.
Sie selbst bleiben auf Abstand aber halten Sichtkontakt und bitten die Polizei, sich zu beieilen.
Warum machen Sie das?
Weiss nicht.
Weil die Berliner Polizei sehr langsam ist.

Sie meint noch, sie habe schon mehrere solche Fälle gehabt und glauben Sie mir, ich bin nicht so sportlich und 10 min hinter einer Frau herzulaufen, das ist anstrengend.

Lacht und meint ich hätte bestanden.

Alvina

 
Thomas Rehork
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