Mündliche Prüfung - Tempelhof - 2. Juni 2023

#1 von Erik , 08.06.2023 17:38

Wie es beim Gesundheitsamt Tempelhof, Rathausstr. 27, üblich ist, waren wir wieder zwei Prüflinge.
Vor uns zwei und nach uns wieder zwei.
Wir wurden um 10 Uhr geprüft, als zweites Paar, nach uns gab es wohl einen Prüferwechsel.

Wir wurden von einer Psychiaterin vom SPD geprüft, ihr Name war Lisa, den Nachnahmen habe ich mir leider nicht gemerkt. Es gab einen Beisitzer, der kein Wort von sich gegeben hat, außer beim Begrüßen, sich Vorstellen und sich Verabschieden.

Der Raum war sehr klein: vielleicht 9qm insgesamt. Wir durften nichts außer Wasser mit rein nehmen. Zettel und Stifte lagen auf dem Tisch. Wir saßen mit dem Gesicht zum großen Fenster, die Prüfer - mit dem Rücken zum Fenster. Es hat ein wenig geblendet.

Als erste war meine Mitprüflingine dran und hatte folgendes Fallbeispiel:

28-jährige Anwältin erzählt, dass es ihr seit einiger Zeit nicht gut geht. Sie hat plötzlich erhöten Herzschlag und muss sehr schwer atmen (und noch ein paar mehr vitale symptome), sie bekommt Angst und möchte am besten weg, hat Angst zu sterben. Sie versteht überhaupt nicht, womit das zu tun hat und weiß auch nicht, was sie dagegen tun kann/soll. Das geschieht mal in der U-Bahn, mal beim Einkaufen, mal mitten auf der Straße...

Meine Kollegin hat als erstes wiederholt, was sie verstanden hatte und, als ihr bestätigt wurde, dass sie alles soweit richtig aufgenommen hatte, hat sie sich seeeeeehr viel Zeit genommen, um sich auf ihre Antwort vorzubereiten. So lange, dass die beiden Prüfer angefangen haben, sich etwas ungeduldig auf ihren Stuhlen zu bewegen.

Dann hat sie noch länger ganz viele Fragen gestellt, bevor sie ihre Verdachtsdiagnose bekannt gegeben hat. Sie hat u.a. nach organischen Störungen gefragt, nach Alkohol (einmal die Woche 2-4 Glas Wein), Drogen (einmal im halben Jahr Cannabis) und anderen Medikamenten (keine), nach Wahnwarnehmungen und Halluzinationen (es gibt keine), nach Schlafverhalten (ganz in Ordnung), nach Appetit (ok), Libido (ok), und anderen Symptomen der Depression (keine Symptome der Depression). Sie hat auch gefragt, ob es Regelmäßigkeiten in diesen Symptomen gibt, also, ob es sich immer un dieselben Orte handelt (tut es nicht).
Dann hat sie gefragt, ob sie nun ihre Verdachtsdiagnose aussprechen darf. Die Prüferin, erleichtert: Ja, bitte. Dann hieß es: Panikstörung. Sie meinte noch ausdrücklich: Mittelgradige Panikstörung, weil es für eine Schwergradige Panikstörung noch Druck auf der Brust geben sollte. (Das hätte ich so nicht gewusst, bzw. steht davon nichts in der ICD-10). Differnzialdiagnostisch hat sie noch gg die Generalisierte Angstörung geprüft (war nicht).
Die Prüferin wollte wissen, was bei diesen Patienten ganz wichtig ist zu klären - Herzkrankheiten. Die Prüferin schien zufrieden zu sein.

Dann sollte meine Kollegin den Teufelskreis der Angst erklären. Hat sie. Dann sollte sie erzählen, was es noch für Diagnosen in der F4 Kategorie der ICD-10 gibt. Sie konnte alles ganz gut aufzählen, kam aber nicht auf Phobien. Bekam daraufhin noch weitere Fragen dazu, was es für Phobien gibt. Sie wusste nicht, dass es Agorophobie gibt, bzw. kam nicht sofort drauf. Sie wusste nicht, dass Agoraphobie mit/ohne Panikstörung als eigenständige Diagnosen vergeben werden. Weitere mögliche Phobien hatte sie aber aufzählen können.

Dann wurde sie zum Betreuungsgesetz befragt. Leider konnte sie die Teilbereiche nicht so gut aufzählen, hatte auch Eigen- und Fremdgefährdung als Gründe genannt dafür, dass das Betreuungsrecht greift. Dabei ist es nur die Eigengefährdung. Die Prüferin war nicht sehr zufrieden.

Damit war ihre Prüfung zuende und ich war dran.
In der Zeit, dass ich nicht geprüft wurde, hatte ich mir Notitzen gemacht. Ich habe mir SOSP (mögliche Gefahren: Suizid, Organische, Sucht, Psychosen) und EF (Elementarfunktionen) aufgeschrieben, des weiteren die Depressionssymptome und ein paar Stichpunkte zum Alkohol und Wernicke. Das habe ich gemacht, damit ich schon mal vorbereitet bin, falls diese FRagen kommen. Und, als Betreuungsrecht dran war, habe ich mir Stichpunkte zum PsychKG aufgeschrieben. So füllte ich mich sicherer.
Insgesamt war ich anfangs etwas nervös, habe mich aber im Laufe der Prüfung der Kollegin komplett beruhigt.

Mein Fallbeispiel:
Ein 33-jähriger IT-Mann erzählt, dass er immer wieder mal 1-3 Tagen mies drauf ist. Seit 3 Monaten ist er mit seiner Freundin zusammen und es gibt immer wieder Stress mit ihr und zwar über alltägliche Sachen. Er möchte sich nicht um den Abwasch und Ähnliches kümmern, das sei alles doch nicht so wichtig. Er geht lieber mit seinen Freunden am Wochenende Feiern. Er erkennt sich nicht wieder. Eigentlich ist er doch Feuer und Flamme und, dass es jetzt immer wieder diesen Stress gibt, findet er ganz doof. Auf Arbeit zum Beispiel hat er sich kleine Programme geschrieben, die ihm helfen, Sachen gut auf die Reihe zu kriegen. Das sind so kleine Tricks, die er sich gebastelt hat. Sonst war er eigentlich schon immer so: eher chaotisch und anders als die Anderen. Das wurde ihm immer wieder gesagt, das kennt er schon seit der Schule. Und jetzt kommt er zu mir und möchte wissen, ob alles mit ihm in Ordnung ist.

Ich habe gesagt, dass ich ihn darin bestärken/loben würde, dass er sich Tricks programmiert hat, um alles besser auf die Reihe zu bekommen, wollte auch mehr dazu wissen. Es hieß, dass es ihm halt hilft, nichts zu vergessen und pünktlich zu sein.
Dann habe ich gesagt, wie ich vorgehen würde. Ich hätte mehrere Verdachtsdiagnosen (VD) und würde nun alle Symptome durchgehen, um diese zu prüfen. Meine erste VD war Zyklothymia. Ich weiß. Die Prüferin fand das auch komisch, das war ihr im Gesicht geschrieben. Nun.. Der Mann sagt, er hat fröhliche und traurige Phasen, die aber eher kurz dauern (1-3 Tage traurig, ein Wochenende lang Feiern mit Freunden). Ich habe tiefer in diese Richtung gebort und nach Symptomen der Manie gefragt (alles verneint). Ich habe nach allen Symptomen der Depression und nach Suizidalität gefragt (auch nein). Alkohol, Drogen, Medikamente - alles nein, bzw. 3-4 Bier am Wochenende. Alles unbedenklich. Die Prüferin machte einen Cut (das ließ mich innerlich aufspringen) und sagte, dass er ja schon seit der Schule chaotisch ist. Was könnte dass denn sein? Oh, mann... natürlich.. ADHS! Puhhh... Krass, dass ich das nicht in die VD gepackt hatte. Ich hatte sogar Anpassungsstörung als VD! Vor der Freundlin war ja alles in Ordnung :)
Dann sagte ich, dass mir das schon aufgefallen war, dass er schon immer so war, aber da dachte ich an eine Persönlichkeitsstörung und, da keine so richtig passte, habe ich das Thema erstmal beiseite gelassen. Nach Konzentration hatte ich gefragt und dachte, es wäre ein Symptom der Depression. Und wie es der Schicksal so wollte, hatte ich ab dem Moment irgendwie nen Blackout. Ich hatte gesagt, dass es ADHS oder ADS sein könnte und, dass sich Menschen nur schwer konzentrieren können und leicht ablenkbar sind, schnell gereizt und aggressiv werden können, weil ihnen schnell alles zu viel wird, also Reizüberflutung. Ich konnte aber nicht die Fachbegriffe nennen, ich kam zwar auf Hyperaktivität, aber nicht auf Aufmerksamkeitsdefizit - nur Schwierigkeiten mit der Konzentration.

Ich wurde noch gefragt, was alles passieren kann, wenn ADHS nicht erkannt und nicht behandelt wird, und was aus dem H (Hyperaktiv) bei den Erwachsenen wird. Ich antwortete, dass Menschen Depressionen, Angststörungen und Persönlichkeitsstörungen entwickeln können, aber auch suizidal oder kriminell werden können. Die Prüferin vervollständigte noch, dass aus dem H psychische Störungen entstehen können.
Dann wurde ich nach Therapie gefragt. Ich antwortete: Verhaltenstherapie, Hilfe zur Selbsthilfe und Entspannungstechnicken (Autogenes Training und Entspannung nach Jackobsen). Die Prüferin hat weiter gefragt, was man insbesondere bei Erwachsenen einsetzt. Ich wusste zuerst überhaupt nicht, was sie meint, dann kam ich aber drauf: Natürlich, medikamentöse Behandlung - mit Ritalin.

Weiter ging's mit dem PsychKG: was würde ich machen, wenn der Patient doch suizidal wäre? Das Prozedere korrekt erklärt.
Dann kommt ein Mann zu mir (weiterer kurzer Fallbeispiel), dem die Händer stark zittern und der meint, weiße Mäuse zu sehen. Ich frage nach seinem Alkoholkonsum: Er hat sein 3 Tagen nicht getrunken, vorher relativ viel. Ich sage zuerst: Alkoholhaluzinose, korrigiere mich aber sofort: Delirium Tremens - Alkoholentzugsdelir, denn bei der Alkoholhaluzinose gibt es Chöre (akkustische Halluzinationen) und beim Alkoholentzugsdelir gibt es optische Halluzinationen (die typischen weißen Mäuse). Die Prüferin scheint nicht sehr zufrieden, obwohl die Antwort richtig ist. Vielleicht wollte sie keine Fehler mehr hören...
Ich sagte, das ist ein Notfall und der Mann muss in die Klinik. Sie wollte wissen wie. Ich meinte, ich bringe ihn selbst hin, wenn er mir nicht gefährlich vorkommt, ansonsten rufe ich die Polizei. Richtige Antwort wäre: Rettungswagen, weil keine Fremdgefährdung! Die Polizei darf nicht einfach so kranke Menschen transportieren. Ok. Das habe ich, glaube ich, auch schon hier im Kurs gehört, aber wirklich mehrmals in Prüfungsberichten gelesen, dass Polizei zu rufen richtig ist. Hmm...

Prüfung zuende. Wir sollten raus.
Wir haben ca. 20 min draußen gewartet!! Eeewig... Wir wurden schon ein wenig nervös...
Dann wurden wir rein gebeten und uns wurde mitgeteilt, dass wir beide bestanden haben! Aaaaber ich wohl eher knapp. What?... naja...

Bei meiner Kollegin wurde bemängelt: BGB (soll sie sich gut anschauen) und Drogen (mit der Antwort "Cannabis" sollte sie sich nicht zufrieden geben und nach weiteren Drogen fragen).
Mir wurde gesagt: ADHS ist wohl nicht mein Schwerpunktthema. Mir wurde ganz viel ins Gewissen eingeredet, dass so lange nicht auf die richtige Diagnose kam.
Im Gegensatz zu vielen anderen Berichten, die ich las, fand ich, dass keine Hilfen von der Seite der Prüfer kam, es gab auch kein "nettes Gespräch unter Experten". Es war wirklich eher eine Prüfung. Damit will ich nicht Angst machen oder so, denn die Prüfung war nicht besonders aufregend. Aber eben kein nettes Gespräch :)

Im Nachhinein denke ich, es wäre wohl doch besser, sich zuerst ein wenig Zeit zu nehmen und alles im Kopf durchzugehen, dann wäre mir evtl. der Moment mit der leichten Ablenkbarkeit, die mit Konzentrationsschwierigkeiten auf der Arbeit erwähnt wurde, nicht zu vergessen. Und ja, ADHS war nicht mein Schwerpunktthema.

Alles in Allem war ich enttäuscht. Ich konnte mich am Anfang gar nicht richtig darüber freuen, dass ich bestanden habe, da mir gesagt wurde, dass es knapp war. Jetzt, einige Tage später, geht es mir diesbezüglich viel besser. Ich weiß, dass die Prüfer ja nur einen Teil meines Wissens beleuchten können. Hätte ich die Patientin mit der Panikstörung bekommen, hätte ich die richtige Diagnose sofort gewusst. F2-F4 wären meine Schwerpunkte gewesen, denke ich, aber es ist nun wie es ist. Ich habe bestanden :)


Erik  
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