Hallo, Herr Rehork,
Gestern habe ich nun meine Prüfung erfolgreich absolviert, bin überglücklich und erleichtert, und berichte Ihnen gerne davon:
Der Prüfer (ein Arzt vom SPD Lichtenberg, Dr. Enold) hat sofort einen sympathischen Eindruck gemacht. Mein Mitprüfling hat die Prozedur schon zum zweiten Mal durchgemacht, ist letztes Jahr bei dem berüchtigten Herrn Dudel durchgefallen. Er sagte, das war ein Unterschied wie Tag und Nacht.
Gesetzesfrage: Betreuungsgesetz. Das übliche, auf wen trifft es zu, wie läuft das Prozedere ab. Dann fragte der Prüfer noch nach den Bereichen (Gesundheit, Wohnung, Finanzen, Schriftverkehr, Behörden) und nach dem Einwilligungsvorbehalt. Das war alles kein Problem - dann wollte er aber noch wissen, was man macht, wenn es eilt, z.B. ein Maniker dabei ist, sein gesamtes Vermögen auf den Kopf zu hauen und man nicht warten könne, bis der Antrag durch ist. Da wusste ich nicht weiter, bin etwas rumgeeiert - die Lösung war: einen Eilantrag beim Amtsgericht stellen.
Dann ging es weiter zur Fallfrage:
Ich hatte eine 60-jährige Frau, deren Tochter sich bei mir beklagt, dass ihre Mutter sie in letzter Zeit nicht mehr in die Wohnung lasse, weil sie vermute, sie wolle ihr Geld stehlen. Sie habe ihre Tochter beschimpft. Außerdem führe sie Selbstgespräche und sei nach Aussage der Nachbarn längere Zeit nicht mehr draußen gesehen worden. Was ich der Tochter rate.
Meine Verdachtsdiagnosen waren Altersdepression und Demenz. Es war dem Prüfer wichtig, dass man sich genau überlegt, was man zuerst den Angehörigen dann den Betroffenen selber fragt. Wir haben alle möglichen Szenarien "durchgespielt", bis hin zum Besuch der Dame in ihrer Wohnung (Auf was würden Sie achten? Was würden Sie die Frau fragen? Nehmen wir an, sie ist orientiert und gepflegt, was fragen sie dann, etc.). Wichtig war ihm die Frage nach Suizidalität (Depression!) und dass man nicht gleich eine Betreuung anregt, sondern nach jedem Strohhalm greift, der sich bietet, um das zu vermeiden (z.B. wenn die Frau sich weigert, einen Psychiater aufzusuchen, aber Vertrauen zu ihrem Internisten hat, dann erst einmal den Internisten nehmen).
Der Prüfer war zwar sehr wohlwollend und kommunikativ, aber er wollte auch sehr viel wissen. Irgendwann fiel mir aber nichts mehr ein, was ich die Frau noch fragen könnte - er wollte noch was in Richtung Verfolgungswahn/Paranoia von mir hören, aber da war bei mir plötzlich die Luft raus, und ich habe ihn erfolgreich abgelenkt. (Im Nachhinein fiel mir ein, ich hätte noch nach Halluzinationen, Fremdbeeinflussungserlebnissen etc. fragen können. Also im Prinzip fast die ganze Palette des "psychopathologischen Befunds" abfragen.) Er merkte dann auch, dass bei mir nichts mehr zu holen ist, und hat gesagt, er "wolle mich nicht mehr länger quälen". Ich hatte trotzdem nach der Prüfung ein gutes Gefühl, denn es gab bei jeder Antwort sofort ein - verbales oder nonverbales, z.B. Stirnrunzeln - Feedback, und das war überwiegend positiv. Er hat uns dann wieder reingerufen und kurz noch was zu jedem gesagt: bei mir, dass er halt manchmal etwas nachhelfen musste, aber dass ich keine Gefahr für die Volksgesundheit wäre. Dann kam noch eine Abschlussfrage, was wir denn jetzt so vorhätten, und das war's! Ach ja, bei meinem Mitprüfling hatte er noch gefragt, wohin man sich im Notfall wenden kann, wenn der SPD "Feierabend" hat (Berliner Krisendienst, rund um die Uhr erreichbar).
Man merkte schon, dass der Prüfer vom sozialpsychiatrischen Dienst kam, und die Prüfung lief entsprechend praxisorientiert ab. Ich hatte das Gefühl, dass ihm auch persönlich etwas daran liegt, dass man sich in die Patienten/Klienten hineinversetzt und ihre gesamte soziale Situation im Blick hat. Also, einfach menschlich denkt!
Allen anderen Mitprüflingen wünsche ich noch viel Glück! Und Ihnen ein schönes Wochenende, Herr Rehork, und vielen Dank nochmal für
alles. Ich werde die unterhaltsamen und lehrreichen Stunden bestimmt nie vergessen (außer es tritt F0 ein...)!
Schöne Grüße
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Martina