Liebe Ute,
der Unterschied zwischen einer Notfallsituation ohne Betreuer und einer Notfallsituation mit Betreuer ist der, dass im zweiten Fall ein Betreuer vorhanden ist.
Der Betreuer kann, mit richterlicher Genehmigung, den Betreuten in die Klinik bringen, wenn dieser sich selbst möglicherweise dadurch schadet, dass er die Notwendigkeit einer Behandlung oder Untersuchung nicht einsehen kann. Sofern schnelles Handeln erforderlich ist kann der Betreuer diesen Menschen auch ohne richterliche Genehmigung in die Klinik bringen, sogar dann, wenn er für den Aufenthalt der betreuten Person gar nicht zuständig ist. Dann muss er die Genehmigung und die Erweiterung seines Kompetenzbereichs aber schnellstmöglich bei Gericht nachholen. Im Prinzip geht es hier um das direkte Wohl des Betreuten selbst, und nicht um die Frage, ob er z.B. andere Leute verhauen oder ihre Gartenlaube zertrümmert hat.
Der Unterbringungsteil des PsychKG (der Hilfe-Teil nur ansatzweise: Vermeidung einer Verschlechterung des Zustands und damit einer Unterbringung) zielt in der Tat auf direkte Gefahrenabwehr, es geht um Leib und Leben einer Person, die im Sinne von §1 des PsychKG psychisch krank ist, aber auch um bedeutende Rechtsgüter anderer (deren Leben u. Gesundheit und auch z.B. teure Sachen). Dabei gilt: Die bloße Weigerung, sich behandeln zu lassen reicht nicht aus.
Nach dem Psych-KG kann ich also jemanden unterbringen, der auf der Balkonbrüstung stand und drohte zu springen (Selbstgefährdung, Wiederholungsgefahr), genauso wie jemanden, der im Alkoholdelir die Leute auf der Straße bedroht und angegriffen hat. Der Betreuer kann, streng genommen, den betreuten Patienten nur im ersten Fall unterbringen, nämlich den Suizidalen mit der Selbstgefährdung, den Aggressiven mit der Fremdgefährdung aber nicht.
Andererseits kann man nach PsychKG nicht den Alkoholiker unterbringen, der unauffällig weitertrinkt, obwohl er schon schwer erkrankt ist (bloße Weigerung, sich behandeln zu lassen reicht eben nicht aus). Der betreute Alkoholiker, der die Notwendigkeit einer Behandlung nicht erkennt, kann aber vom Betreuer untergebracht werden.
In der Praxis ist es daher meist so, wie es im Thieme steht, obwohl die genaue Rechtslage etwas komplizierter ist.
Und um die Sache noch etwas komplizierter (dennoch praktikabler) zu machen, kann der Gesetzgeber natürlich ins PsychKG reinschreiben, dass der Betreuer bei der Unterbringung antragsberechtigt ist. Dann darf der Betreuer die Leute auch bei Fremdgefährdung unterbringen - nach PsychKG! So geschehen z.B. in Brandenburg.
Bei Unterbringung nach Psych-KG muss das Bezirksamt einen Antrag beim Amtsgericht stellen, danach gibt es ein psychiatrisches Gutachten und einen amtsrichterlichen Beschluss. So geht es standardmäßig, in der Praxis jedoch fast nie. Meist kommt der Patient mit der Polizei in die Klinik, dort wird ein Aufnahme-Kurzbericht erstellt. Die Klinik ist in diesem Fall mit hoheitlichen Rechten beliehen, d.h. sie darf die Leute bis zum Ablauf des darauf folgenden Tages ohne Gerichtsbeschluss festhalten, in dieser Zeit muss ein Amtsrichter eine einstweilige Anordnung aussprechen (die kommen morgens in die Klinik). Danach soll schnellstmöglich ein ausführliches psychiatrisches Gutachten erstellt werden. So kommen also in der Praxis typischerweise zwei ärztliche Stellungnahmen zum Einsatz: der kurze Aufnahmebericht u. das ausführliche Gutachten. Ist die Gefahr vorbei wird der Pat. nicht mehr nach PsychKG in der Klinik behalten (natürlich kann er dort auch freiwillig bleiben, wenn es erforderlich ist). Zuständig für Antrag u. Durchführung ist das Bezirksamt und zwar in folgender Reihenfolge:
1. Wohnbezirksamt
2. ist das nicht ermittelbar oder der Betroffene kein Berliner dann das Bezirksamt, wo er auffällig wurde
3. so lange die Zuständigkeit nicht geklärt ist immer auch das Klinik-Bezirksamt.
In Brandenburg das Landratsamt (bzw. das Amt der kreisfreien Stadt), wo der Betroffene auffällig wurde.
Beim Betreuungsrecht kommt der Betreuer mit dem Pat. in die Klinik, zeigt sein Betreuer-Kärtchen und sagt "Da habt 'er 'n!" Das geht also etwas formloser. Na ja, er wird dem Klinik-Personal schon die Situation auseinandersetzen, das ist sicher nicht der erste Patient dieser Art, paar Formulare wechseln und dann die Sache mit dem Betreuungsgericht klarmachen.
Steht aber alles auch in den Artikeln "Die wichtigsten Fragen zum Betreuungsgesetz" und "Fragen und Antworten zum PsychKG" auf der CD, inklusive Procedere und Fristen.
Viel Erfolg!
Thomas Rehork